Angestellt in der Praxis: Wie Sie faire Bedingungen für beide Seiten aushandeln

Wie kommen Praxisinhaber und angestellte Ärztinnen und Ärzte zu fairen Vertragsbedingungen für beide Seiten? Zwei Kolleginnen geben Hinweise zu wichtigen Punkten wie Arbeitszeit, Urlaub oder Probezeit. Auch für das Gehaltsgespräch haben sie Tipps.

Seit Jahren steigt die Zahl der angestellten Ärztinnen und Ärzte in der ambulanten Versorgung. Mittlerweile machen sie fast 28 Prozent der in den Praxen und MVZ tätigen Kollegen aus. Genauer waren im vergangenen Jahr laut Bundesarztregister der KBV 52.436 angestellte Ärztinnen und Ärzte in der vertragsärztlichen- und psychotherapeutischen Versorgung unterwegs. Zum Vergleich: 2021 waren es bundesweit noch rund 46.000.

Die neue Lust auf ambulante Versorgung in abhängiger Beschäftigung wirft jedoch ganz neue Fragen auf. Drei der essenziellsten: Wie gestaltet man den Arbeitsvertrag und vor allem, wie viel Verhandlungsspielraum ist da? Und wie einigt man sich auf ein für beide Seiten faires Gehalt?

Auch Musterverträge sind nicht in Stein gemeißelt

Was Praxisinhaber im Falle ihrer Medizinischen Fachangestellten gut kalkulieren und mit Erfahrungswerten beantworten können, ist bei angestellten Ärzten auf einmal viel schwieriger zu bewerten. Die Muster-Arbeitsverträge, die es über Berufsverbände oder ärztliche Gewerkschaften gibt, sind ein Anhaltspunkt. Sie müssen und sollten aber nicht einfach eins-zu-eins übernommen werden. „Vieles ist verhandelbar, man muss sich nur trauen“, sagte Anne-Katrin Sundermeier auf der practica in Bad Orb.

Die Fachärztin für Allgemeinmedizin und Anästhesie hat selbst den Weg in die Anstellung gewählt und ist damit mehr als glücklich. Sie hat dabei aber auch gelernt, wie wichtig es ist, seine Vertragsgestaltung aktiv in die Hand zu nehmen.

Das fängt mit der Probezeit an. Standardmäßig wird diese in Arbeitsverträgen mit sechs Monaten und einer Kündigungsfrist während der Probezeit von zwei Wochen angegeben. Das liegt daran, dass im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), genauer in Paragraf 622 Abs. 3 maximal sechs Monate als Probezeit benannt werden. Die Betonung liegt hier aber eben auf maximal. „Auf die Probezeit kann auch verzichtet werden“, so Sundermeier. Oder aber sie wird verkürzt.

Wer auf die Probezeit verzichtet, sollte aber wissen, dass dann auch für den Arbeitnehmer die längere Kündigungsfrist von mindestens „vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats“ laut BGB besteht.

Ausgleich für Mehrarbeit direkt festschreiben

Beim heiklen Thema Überstunden lassen sich ebenfalls Regelungen treffen, die für beide Seiten adäquat sind. Im Vertrag könne man zunächst festhalten, dass Überstunden geleistet werden müssen oder eben auch nicht, berichtete Sundermeier. Da der medizinische Betrieb aber selten nach Stechuhr-Systematik funktioniert, dürfte es im Alltag schwierig werden, Mehrarbeit dauerhaft zu verhindern. Die Lösung: Im Vertrag schriftlich festzuhalten, dass für Überstunden ein Freizeitausgleich stattfindet oder diese vergütet werden, rät die Hausärztin.

Die Zeiterfassung auch für angestellte Ärzte ist ohnehin ein Thema, mit dem sich Praxisinhaber beschäftigen sollten. Denn bereits im Spätsommer 2022 wurde festgestellt, dass in Deutschland die gesamte Arbeitszeit der Arbeitnehmer aufzuzeichnen ist. Arbeitgeber seien nach Paragraf 3 Abs. 2 Nr. 1 des Arbeitsschutzgesetzes verpflichtet, ein System einzuführen, „mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann“, schreibt dazu das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) auf seiner Website.

„Damit hat das BAG verbindlich entschieden, dass das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 14. Mai 2019 (EuGH Rs. 55/18 CCOO) auch von den deutschen Arbeitgebern zu beachten ist“, so die eindeutigen Worte des Ministeriums. Von daher sind eine Zeiterfassung und eine entsprechende Regelung zum Ausgleich von Überstunden im Arbeitsvertrag mehr als sinnvoll.

Vergüten lassen würde sich Sundermeier per vertraglicher Regelung zudem die Teilnahme am Notdienst. Ebenso könnten angestellte Ärzte Zuschläge für Hausbesuche aushandeln.

Frei für Fortbildung – aber wie lange?

Nun haben Ärztinnen und Ärzte nicht nur berufsrechtlich, sondern auch im vertragsärztlichen Rahmen eine Pflicht zur Fortbildung. Für die ambulante vertragsärztliche Versorgung heißt das: Sie müssen „innerhalb von fünf Jahren mindestens 250 Fortbildungspunkte gegenüber ihrer Kassenärztlichen Vereinigung nachweisen – unabhängig davon, ob sie niedergelassen, ermächtigt oder angestellt sind“, heißt es auf der Website der KBV. In den Musterverträgen für angestellte Ärzte sind in der Regel fünf fortbildungsfreie, bezahlte Tage enthalten.

Das heißt aber nicht, dass auch die Fortbildung bezahlt wird, so Allgemein- und ebenfalls angestellte Ärztin Dr. Dorothee Wecker, die in Bad Orb gemeinsam mit Anne-Katrin Sundermeier Kolleginnen und Kollegen fit fürs Thema Anstellung machte. Man könne also Fortbildungszuschüsse und natürlich weitere „bezahlt freie Tage“ für die Fortbildung aushandeln und beides schon im Arbeitsvertrag festschreiben.

30 Tage Urlaub sollten Standard sein

Und wie sieht es mit den Urlaubstagen aus? Hier kann es passieren, dass in einem Musterarbeitsvertrag nur die gesetzliche Mindesturlaubszeit von 20 Tagen bzw. 24 Werktagen (hier zählt der Samstag dazu) drinsteht. Ebenso wie die Regelung, dass nicht genommene Urlaubstage innerhalb der „ersten drei Monate des folgenden Kalenderjahrs“ genommen werden müssen „30 Tage wären eher der Standard“, so Sundermeier. Und man könnte auch vertraglich aushandeln, dass die Urlaubstage eben nicht verfallen. Sie selbst hat sogar mehr als 30 Urlaubstage – und dafür dann auf einen Teil der Vergütung verzichtet, weil ihr die freie Zeit wichtiger ist.

In Sachen Befristung sollten sich angehende angestellte Ärzte genau überlegen, was ihnen wichtig ist, rieten beide Hausärztinnen. Ein unbefristeter Vertrag mag Sicherheit geben, in Zeiten des Ärztemangels kann eine Befristung andererseits aber dabei helfen, neu zu verhandeln, insbesondere wenn es ums Gehalt geht. Ein ohnehin schwieriger Punkt: An welchen Kriterien orientieren sich Ärzte in Anstellung und ihre Chefinnen und Chefs bei der Gehaltsverhandlung? Nach einer , die allerdings aus dem Jahr 2021 stammt, verdienen angestellte Hausärzte im Schnitt 75.900 Euro pro Jahr, verteilt auf zwölf Monate wären das 6.325 Euro brutto pro Monat.

Die Gehaltsfrage

Ein guter Anhaltspunkt fürs Angestellten-Gehalt ist laut Sundermeier die Tariftabelle für Angestellte der kommunalen Krankenhäuser (TV-Ärzte/VKA). Dort wurde bis Ende März dieses Jahres eine Oberarztstelle mit 8406,29 Euro eingruppiert – zum April stiegen die Tarifgehälter um vier Prozent. Für das Oberarztgehalt wären es nun 8742,54 Euro. „Auf der anderen Seite muss man aber durchaus sehen, dass die EBM-Honorarsteigerungen in den letzten Jahren niedriger waren“, gab sie zu bedenken. Dem Arbeitgeber müsse es auch möglich sein, das Angestellten-Gehalt zu finanzieren. Sundermeier empfiehlt daher, selbst eine Rechnung aufzumachen, die dann beim Gehaltsgespräch hilft.

Geht man etwa noch vom Tarifgehalt eines Oberarztes bis Ende März, also 8.400 Euro pro Monat aus, dann müsse dieser Betrag mit dem Faktor 1,21 multipliziert werden, um die Sozialabgaben des Arbeitgebers zu berücksichtigen. So erhält man den Gesamtkostenbetrag des Arbeitgebers.

In unserem Fall wären das 10.164 Euro pro Monat. Nun sei es wichtig, den Fallwert der Praxis oder zumindest der Hausärzte in der Region zu kennen. Denn nimmt man den Lohnkostenbetrag eines Quartals (3 x 10.164 Euro = 30.492 Euro) und teilt ihn durch den Fallwert – z.B. 71 Euro – (30.492 Euro / 71 Euro = 429,46), dann weiß man: Die Arztstelle rechnet sich, wenn die Praxis 429 zusätzliche Scheine schafft. Für Teilzeitstellen müsste man dies entsprechend runterrechnen (siehe Beispielrechnung).

Ab wann rechnet sich das Angestellten-Gehalt? Eine Beispielrechnung

Angenommen, für eine Vollzeitstelle in der Praxis (40 Stunden/Woche) wird ein Gehalt von 8.400 Euro angestrebt.

Die angestellte Ärztin / der angestellte Arzt will aber nur eine 75%-Stelle antreten. Dann läge der Gehaltswunsch bei 6.300 Euro.

Für die Lohnnebenkosten ist ein Faktor 1,21 anzusetzen. Dem Praxisinhaber würden also pro Monat Gesamtkosten von 6.300 Euro x Faktor 1,21 = 7.623 Euro entstehen.

Im Quartal wären es 22.869 Euro.

Beträgt der Fallwert der Praxis z.B. 71 Euro, dann wären rein rechnerisch für die Finanzierung des Angestellten-Gehaltes 22.869 / 71 Euro = 322 zusätzliche Scheine nötig.

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