Arbeitsverträge für Ärzte: Darauf ist zu achten

Wer schreibt, der bleibt, lautet eine alte Regel – und die gilt vor allem auch für Anstellungsverträge von Ärztinnen und Ärzten. Hausärzteverband und Marburger Bund sagen, worauf es ankommt, und warum die Schriftform unabdingbar ist.

Streiten? Wir? Dazu wird es schon nicht kommen. So oder ähnlich denken ärztliche Kollegen und Kolleginnen oftmals, wenn sie gemeinsam in einer Arztpraxis arbeiten. Vertragliche Regelungen werden in solch freundschaftlichen oder sehr guten kollegialen Beziehungen oft für überflüssig gehalten oder sogar als Misstrauen gewertet – also lieber darauf verzichten?

Auf keinen Fall, raten Arztrechtler und Verbände. Dies gilt insbesondere, wenn es um die Anstellung eines Arztes oder einer Ärztin in der Arztpraxis geht. „Wir raten grundsätzlich allen unseren Mitgliedern dazu, sich vor Abschluss eines Arbeitsvertrages individuell von einem unserer juristischen Experten beraten zu lassen und sich nicht allein auf den Weg zu machen. Das gilt selbstverständlich auch für Anstellungsverträge im ambulanten Bereich, beispielsweise in Arztpraxen“, teilt der Marburger Bund (MB) dazu mit.

Auch der Hausärztinnen- und Hausärzteverband gibt seinen Mitgliedern Hilfestellung. Seine Empfehlung: „Ein sorgfältig gestalteter Arbeitsvertrag schafft Klarheit für beide Seiten und beugt möglichen späteren Konflikten vor.“

Zahl der angestellten Ärzte wächst rasant

Wichtig ist die Empfehlung nicht nur für den Einzelfall. Wie relevant sie ist, zeigt ein Vergleich der Zahlen angestellter Ärztinnen und Ärzten in Arztpraxen und MVZ: Von 21.701 im Jahr 2013 kletterte die Zahl um mehr als 100 Prozent auf 49.271 Ende 2023.

Mit dieser Steigerung nimmt auch das Potenzial für Streitigkeiten zwischen den anstellenden und den angestellten Ärztinnen und Ärzten zu. Der Verband der Hausärztinnen und Hausärzte hat deshalb einen Ausschuss Angestellte Ärztinnen und Ärzte eingerichtet, um speziell die Bedürfnisse Angestellter und Anstellender zu adressieren. Er bündelt alle Angebote rund um das Thema Anstellung, inklusive eines Kodex für beide Seiten.

Das muss unbedingt in einen Vertrag

Der Verband stellt auch, genauso wie der MB, einen Musterarbeitsvertrag zur Verfügung. Was aber sollte drinstehen? Als „wesentliche Bedingungen“ zählt der MB auf Anfrage der Ärzte Zeitung auf:

  • Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses, Arbeitsort,
  • Zusammensetzung, Höhe und Fälligkeit der Bezüge,
  • Dauer des Erholungsurlaubes,
  • vereinbarte Arbeitszeit,
  • Kündigungsfristen.

Die Gewerkschaft stellt außerdem klar: Von den Vorschriften des Nachweisgesetzes darf nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden.

Der Verband der Hausärztinnen und Hausärzte legt Wert auf folgende Punkte:

  • präzise Beschreibung der ärztlichen Aufgaben,
  • vereinbarte Wochenarbeitszeit,
  • Regelungen zu Bereitschaftsdiensten,
  • Weiterbildung,
  • Vergütung, inklusive eventuelle Zusatzvergütungen für Bereitschaftsdienste oder Leistungsprämien.

Arbeitsrechtler würden die Listen ergänzen. Neben den genannten Punkten sollten auch Namen und Anschriften der Vertragsparteien, der Anspruch auf Fortbildung und auf betriebliche Altersvorsorge, die vorhersehbare Dauer der Beschäftigung und bei einer Befristung das Ende der Befristung festgehalten werden.

Auf Experten-Formulierungen zurückgreifen

Bei Praxen mit mehreren Standorten ist es zudem ratsam, den Arbeitsort konkret zu nennen, auch Haus- und Heimbesuche, wenn diese zum Einsatzspektrum gehören. Auch wenn das Thema unangenehm erscheint, sollte festgehalten werden, dass eine Kündigung der Schriftform bedarf – dies hilft, Missverständnisse zu vermeiden.

Der Verband der Hausärztinnen und Hausärzte rät noch aus einem weiteren Grund zu einer klar formulierten, von Experten verfassten Schriftform: Durch eine professionelle Vertragsgestaltung könnten sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer Geld sparen – etwa, weil bestimmte Leistungen steuerfrei oder steuerbegünstigt gewährt werden können.

Ein anderes Beispiel ist die betriebliche Altersvorsorge: „Arbeitgeber können bis zu 8 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze steuerfrei in eine betriebliche Altersvorsorge einzahlen.“

Angebote an arbeitsrechtlicher Beratung

Und wenn es doch zum Streit kommt? Für Angestellte im MB steht die Gewerkschaft bereit. „Wir unterstützen alle unsere Mitglieder, im ambulanten wie stationären Bereich, durch eine fundierte, auf den jeweiligen Versorgungsbereich bezogene arbeitsrechtliche Beratung. Unsere etwa 60 Juristinnen und Juristen in den 14 Landesverbänden des Marburger Bundes verfügen über viel Erfahrung und Expertise aus ihrer Beratungspraxis und kennen mögliche Fallstricke, insbesondere bei der Vertragsgestaltung“, stellt der MB für einen solchen Fall klar.

Medizinrechtlerin Kathrin-C. Beyer von ETL Rechtsanwälte in Köln empfiehlt vor einer rechtlichen Auseinandersetzung eine Beratung über Chancen und Risiken.

Würde Tarifvertrag helfen?

Ein noch immer ungelöstes Problem bewerten Verband und Gewerkschaft unterschiedlich: den fehlenden Tarifvertrag für angestellte Ärztinnen und Ärzte im ambulanten Bereich. „Die Situation ist von KV-Region zu KV-Region und von Praxis zu Praxis komplett unterschiedlich und daher nicht vergleichbar. Einheitliche Tarifverträge wären daher in diesem Fall wenig zielführend“, sagt der Hausärzteverband.

Der MB dagegen macht sich seit Jahren für Tarifverträge im ambulanten Bereich stark. Die Gewerkschaft vermisst die Bereitschaft auf der Arbeitgeberseite, die für einen Kollektivvertrag notwendigen organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen.

„Allein die Tatsache, dass häufig Praxisinhaber bei uns nach den Musteranstellungsverträgen des Marburger Bundes fragen, zeigt schon, dass es auch auf der Arbeitgeberseite eine entsprechende Nachfrage gibt. Ein Tarifvertrag würde nicht nur klare Mindeststandards definieren, er würde den Beschäftigten und den Praxisinhabern auch Rechtssicherheit bei der Vertragsgestaltung geben“, meint der Marburger Bund.

Abweichen von Arbeitszeitvorgaben ist schwierig

Er gibt auch zu bedenken, dass die Vertragsparteien ohne Tarifvertrag bei den Regelungen zur Arbeitszeit „erheblichen Restriktionen unterworfen“ seien. „Jede Abweichung von den Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes ohne tarifvertragliche Grundlage ist unzulässig – und für den Arbeitgeber zudem mit erheblichen, auch strafrechtlichen Risiken verbunden“, so der MB.

Die Gewerkschaft verweist zudem darauf, dass angestellte Ärztinnen und Ärzte in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung in ein System sozial- und vertragsarztrechtlicher Vorgaben eingebunden sind, das Rechte und Pflichten über die arbeitsvertraglich vereinbarten hinaus normiert und über das sie sich informieren müssen – etwa das Sozialgesetzbuch V, die Zulassungsverordnung für Ärzte, den Bundesmantelvertrag-Ärzte und die Bedarfsplanungs-Richtlinie.

Vertrag muss schriftlich festgehalten werden

Klingt kompliziert, für beide Seiten. Könnte man nicht doch auf die schwer durchschaubaren Regelungen in Schriftform verzichten und darauf vertrauen, dass einen das gute Verhältnis ohne Streit durch die Anstellung trägt?

Der MB antwortet mit einem klaren Nein – mit Verweis auf den Gesetzgeber: „Der Abschluss eines schriftlichen Anstellungsvertrages ist durch das Nachweisgesetz zwingend vorgeschrieben. Damit ist der Arbeitgeber verpflichtet, die für das Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen innerhalb eines Monats schriftlich niederzulegen (§ 2 NachwG). Dies gilt nur dann nicht, wenn der Arbeitnehmer lediglich zur vorübergehenden Aushilfe von höchstens einem Monat eingestellt wird.“

Praxisinhaber, die dieser Verpflichtung zur schriftlichen Niederlegung nicht nachkommen, gehen ein hohes Risiko ein: Bei Streit über eine nur mündlich getroffene Absprache trifft laut MB grundsätzlich den Praxisinhaber die Beweislast für seine Behauptung.

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