Praxismanagement
Die Ermittlungsbehörden haben immer häufiger mit vermuteten Behandlungsfehlern zu tun. Ein Staatsanwalt erläutert, wie Ärztinnen und Ärzte Fehler vermeiden können – und sich Strafverfahren verhindern…
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Die Bundesversammlung der Bundeszahnärztekammer wappnet sich für den sich abzeichnenden Regierungswechsel im Reichstag. In einem Reigen an Resolutionen gibt sie der neuen Koalition konkrete Handlungsempfehlungen mit auf den Weg, um die Zukunft der flächendeckenden, zahnmedizinischen Versorgung in Deutschland zu sichern – und zwar nicht nur im Sinne und zum Wohle der Leistungserbringer.
Mehr Prävention, stärkere Eigenverantwortung und weniger Bürokratie – diese Trias hat aus Sicht der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) das Potenzial, das Gesundheitswesen in Deutschland fit für die Zukunft aufzustellen. Auf ihrer Bundesversammlung (BV) Mitte November in Hamburg forderte die BZÄK dann auch die „künftige Bundesregierung“ in einer Resolution auf, Gesundheitspolitik als zentrale Aufgabe zu behandeln und die Zukunftsfähigkeit des Gesundheitswesens sicherzustellen.“ Denn laut Prognosen sei der Kipppunkt der Sozial- und Gesundheitssysteme in den 2030er Jahren zu erwarten, mahnt die BZÄK zum raschen und entschlossenen Handeln.
Diese vage Formulierung der „zentralen Aufgabe“ kann durchaus die Forderung bedeuten, der wahrscheinliche neue Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) solle im Notfall von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch machen. Zwar hofft wahrscheinlich die Mehrheit der verfassten Zahnärzteschaft – wie auch ihr Pendant bei den Haus- und Fachärzten – auf ein Ende der Ära Lauterbach in der Bundesregierung. Aber es könnte auch anders kommen – so schießen wilde Spekulationen nicht nur in Berlin ins Kraut. Auch wenn Gesundheitspolitiker aus der Union schon das künftige Bundesgesundheitsministerium für die Schwarzen reklamieren, könnte es sein, dass die SPD als notwendiger Juniorpartner in einer Koalition darauf besteht, es Genosse Lauterbach zu ermöglichen, seine begonnenen Reformvorhaben zu vollenden. Eines scheint fernab sonstiger Spekulationen und Befürchtungen sicher zu sein: Lauterbachs ebenfalls hyperaktiver Amtsvorgänger Jens Spahn (CDU) hat bekundet, wieder ein Ministeramt bekleiden zu wollen, aber eben nicht an der Spitze des Gesundheitsressorts.
Zu den Kernthemen der BV mit entsprechenden Beschlüssen gehörten die Stärkung der Freiberuflichkeit und Selbstverwaltung sowie Abkehr von einem staatlichen Gesundheitssystem, die Stärkung des ambulanten Sektors und der bewährten wohnortnahen Versorgung, die Regulierung von Investoren-MVZ zum Patientenschutz, die Beendigung des „Bürokratieburnout“, Lösungen zum Fachkräftemangel erarbeiten, die erfolgreiche Weiterentwicklung präventiver, gesundheitsförderlicher Maßnahmen sowie die praxistaugliche Digitalisierung.
Mehrere Resolutionen fokussieren das Bekenntnis zum und die Stärkung des dualen Systems in der Krankenversicherung, verbunden mit der angemessenen Honorierung in der GOZ. Die BV fordert den Verordnungsgeber unter anderem auf, „die betriebswirtschaftlich angemessene Einzelleistungsvergütung – wie in der Verordnung vorgegeben – zum Maßstab des dringend anzupassenden GOZ-Punktwerts zu machen.“ Es sei unerträglich, dass der Verordnungsgeber mit Bezug auf ein geschätztes GOZ-Honorierungsvolumen jede Punktwertanpassung verweigere. Das Zahnheilkundegesetz gebe zwar einen Gebührenrahmen für die Bemessung des Honorars der einzelnen Leistung, nicht jedoch ein jährliches Gesamtvolumen für die privatzahnärztliche Versorgung vor, verdeutlicht die BZÄK. „Die vorliegende Morbidität zahnmedizinischer Erkrankungen ist Anlass und Maßstab. Dem Verordnungsgeber ist gesetzlich vorgegeben, die berechtigten Interessen der Zahnärzte und der zur Zahlung Verpflichteten zu berücksichtigen. Rechnungsempfänger und Zahler sind Patienten bzw. ihre Angehörigen und nicht kostenerstattende Stellen. Die Zementierung des Punktwertes auf Niveau der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts belegt das gesetzeswidrige Verhalten aller seither in Verantwortung gewesener Bundesregierungen.“
Komplementär dazu erteilt die BV dem BZÄK-Vorstand respektive dem Ausschuss Gebührenrecht den Auftrag, intern eine Referenz-GOZ zu entwickeln. „Dabei sind die Kernparameter der Paragraphen 2, 5 und 6 der GOZ zwingend beizubehalten. In § 5 ist ein Punktwert vorzusehen, der den betriebswirtschaftlichen Erfordernissen entspricht. Eine regelmäßige Dynamisierung ist einzuführen“, heißt es in dem Beschluss.
In einer weiteren GOZ-Resolution werden die Zahnärztinnen und Zahnärzte „angesichts ausbleibender Punktwertanpassungen die Honorierung zahnärztlicher Tätigkeiten im betriebswirtschaftlich erforderlichen Maße“ aufgefordert, das Zepter eigenmächtig in die Hand zu nehmen. Mit den Patientinnen und Patienten solle mit Hilfe des § 2 GOZ das Honorar vereinbart werden – bei analoger Berechnungsmöglichkeit sei dies mittels des § 6 GOZ zu gestalten.
Breiten Raum in der Diskussion sowie in den Beschlüssen nahmen die sich laut BZÄK ungebremst ausbreitenden Aktivitäten berufsfremder Investoren mit ausschließlichen Renditeinteressen in der Zahnheilkunde ein. Mittlerweile sei fast ein Drittel aller zahnärztlicher MVZ in Investorenhand (iMVZ), weitere Investoren seien in den Markt eingetreten. Diese Entwicklung ist der BZÄK schon lange ein Dorn im Auge.
Die BV weist die künftigen Koalitionäre darauf hin, dass zum Beispiel die Gesundheitsministerkonferenz der Länder (GMK) im November 2021 und im Juni 2022 den Gesetzgeber jeweils einstimmig aufgefordert haben, die „längst überfälligen gesetzlichen Regulierungen dieser iMVZ auf den Weg zu bringen.“ Dieser Forderung hat sich der Bundesrat im Juni 2023 angeschlossen.
„Die Bundesversammlung fordert das BMG mit höchster Dringlichkeit auf, nun endlich dem mehrfachen Beschluss der GMK Folge zu leisten und diese für die Patientenversorgung in unserem Lande schicksalhafte Frage zeitnah zu lösen. Jeder weitere Tag des Abwartens ermöglicht den Investoren die Errichtung weiterer iMVZ, die die Versorgungslandschaft dauerhaft verschlechtern. Eine solche Entwicklung gilt es, unbedingt zu verhindern. Eine Transparenzregelung ist zu begrüßen, als alleinige Regulierung der Aktivitäten der Investoren ist sie allerdings bei weitem nicht ausreichend“, heißt es in der entsprechenden Resolution.
Dem BMG lägen bereits seitens der BZÄK mit der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) konsentierte Handlungsempfehlungen vor, erinnert die BV. Die beiden Kernforderungen zur Regulierung der iMVZ sind demnach klar. Voraussetzung für die Berechtigung zur Gründung zahnärztlicher MVZ durch ein Krankenhaus soll demnach sein, dass dieses über einen zahnmedizinischen Fachbezug verfügt und ein MVZ nur innerhalb seines Planungsbereiches gründen darf (räumlich-fachlicher Bezug). Komplementär müssten Änderungen im Zahnheilkundegesetz erfolgen – beispielsweise sollten mindestens 51 Prozent eines betreffenden MVZ in Zahnarzthand liegen müssen.
Große Sorge treibt die BZÄK in puncto „elektronischer Patientenakte (ePA) für alle“ um, die im Zuge des Digitalisierungsgesetzes (DigiG) zum 15. Januar 2025 an den Start gehen soll. In einer Resolution fordert die BV das BMG auf, „den geplanten Start so lange zu verschieben, bis die Anwendungsreife nachgewiesen werden konnte und ein spürbarer Mehrwert für die Patientenversorgung gegeben ist. Nur eine umfassende Test- und Übergangsphase kann sicherstellen, dass die Einführungsphase in den Zahnarztpraxen leichter wird und die ePA von den Praxen und den Versicherten akzeptiert wird.“
Kurz darauf meldete die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), das BMG habe etwas Druck aus dem Kessel genommen. Die Softwarehersteller seien nun laut Ministerium nicht mehr verpflichtet, das ePA-Modul zum 15. Januar 2025 bereits allen Praxen bereitzustellen. Dies solle erst zu dem Zeitpunkt der erfolgreichen Erprobung in den Modellregionen Hamburg und Franken erfolgen, so die KBV.
Sie beruft sich dabei auf einen Brief des BMG an die Hersteller der Praxisverwaltungssysteme (PVS), in dem es heiße, dass am 15. Januar wie geplant die Testphase in den Modellregionen starten solle. Der Rollout des ePA-Moduls sei daher zunächst nur für die PVS-Hersteller mit Installationen bei den Praxen der Modellregionen notwendig. Davon unbenommen könnten Hersteller aber auch außerhalb der Modellregionen das ePA-Modul anbieten.
„Trotz intensiver Bemühungen auf allen Seiten besteht derzeit ein zeitlicher Verzug in der Entwicklungs-Roadmap“, zitiert die KBV das BMG. „Gleichzeitig versicherte das BMG, dass der bundesweite Rollout und damit auch die Nutzungsverpflichtung erst dann erfolgen, wenn die Erfahrungen in den Modellregionen positiv seien“, so die KBV weiter.
Die PVS-Hersteller waren bis dato verpflichtet gewesen, allen Praxen bis zum 15. Januar ein ePA-Modul bereitzustellen. Mit dem Wegfall dieser Pflicht sei es selbstverständlich, so die KBV, dass Praxen nicht mit Sanktionen bestraft werden dürften, wenn sie kein aktuelles ePA-Modul hätten. Ebenso dürfe die TI-Pauschale nicht gekürzt werden. KBV-Vorstandsmitglied Dr. Sibylle Steiner sagte dazu: „Wir haben diesbezüglich das BMG bereits angeschrieben und gehen davon aus, dass das Ministerium diese Auffassung bestätigen wird.“
Die Delegierten der BZÄK-BV stimmten zugleich auch für die Rückkehr zur Opt-In-Lösung. Das bedeutet, der Versicherte muss aktiv seine Zustimmung zum Erfassen und Verwenden seiner Daten geben. Das BMG hatte sich explizit für den Wechsel vom derzeitigen Opt-in- auf das Opt-out-Modell ausgesprochen, um die Akzeptanz seitens der Patienten sowie die flächendeckende Nutzung der ePA zu stärken. Denn mit dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) hat das BMG auch den Weg dafür geebnet, Datenspenden aus der ePA für die Forschung möglich zu machen – sowohl für die kommerzielle als auch für die rein wissenschaftliche.
Eine Woche nach der BZÄK-BV hielt die Bayerische Landeszahnärztekammer (BLZK) ihre Vollversammlung (VV) in München ab – und geht in ihren Forderungen wesentlich weiter. Zunächst stellten die Delegierten laut BLZK fest, dass das aktuelle ePA-Konzept nicht ausgereift sei. „Die Versammlung forderte den Gesetzgeber auf, die aktuelle Verzögerung bei der Einführung auch vor dem Hintergrund eines bevorstehenden Regierungswechsels zu nutzen, um das Konzept der ePA neu aufzusetzen“, informierte die Kammer nach der VV die Medien.
Der – noch nicht veröffentlichte – VV-Beschluss umfasse, wie es auf Nachfrage hieß, auch die Forderungen nach einer längeren Test- und Übergangsphase sowie nach standardisierten Daten mit Volltextsuche. Zudem müsse bei einer Neu-Aufsetzung der ePA zwingend die ärztliche Schweigepflicht gewahrt bleiben. Die Selektion von Patienten durch einen Algorithmus dürfe unter keinen Umständen möglich sein. „Wir wollen, dass unsere Patienten auch in Zukunft souverän steuern können, wem sie welche Gesundheitsdaten anvertrauen“, erklärt BLZK-Präsident Dr. Frank Wohl dazu.
Und ergänzt: „Wir Zahnärzte sind technikaffin und würden bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen gerne aufs Gas treten. Aber 500 Zettel bleiben 500 Zettel, egal ob digital oder auf Papier. Die ePA braucht eine klare Struktur mit Suchfunktion. Wie soll ein Zahnarzt sonst beispielsweise die Befunde von Haus- und Fachärzten berücksichtigen?“, begründete Wohl die aus Kammersicht bestehende Notwendigkeit eines Neustarts für die ePA.
Die BZÄK hadert des Weiteren in puncto Digitalisierung noch immer mit einer Hinterlassenschaft von Jens Spahn. Dieser hatte als Bundesgesundheitsminister 2019 seinem Ministerium 51 Prozent der Geschäftsanteile in der gematik gesichert. „Damit kann es Beschlüsse im Alleingang und gegen die Stimmen aller anderen Gesellschafter, d.h. gegen die gemeinsame Selbstverwaltung treffen“, moniert die BV in einem Beschluss. Daraus ergebe sich ein Ungleichgewicht zwischen den Partnern der Selbstverwaltung, die ihre fachliche Expertise einbringen, und dem Ministerium, das seinen politischen Willen verfolgt.
Zwischenzeitlich habe das BMG sogar angekündigt, die gematik vollständig verstaatlichen zu wollen. Das Gesundheits-Digitalagentur-Gesetz sehe nun im Wesentlichen eine Umbenennung der gematik in eine „Digitalagentur Gesundheit“ vor. „Die Chance, im selben Zuge auch ein sinnvolles Gleichgewicht zwischen Politik und Selbstverwaltung (wieder)herzustellen, hat man allerdings ungenutzt verstreichen lassen“, bedauert die BV.
Die BZÄK erwarte, heißt es weiter, „dass die bisherige Fehlverteilung von Stimmrechten im weiteren Gesetzgebungsverfahren zum Umbau der heutigen gematik in eine zukünftige Digitalagentur Gesundheit korrigiert wird. Die Stimmrechte der Gesellschafter sind so auszugestalten, dass insbesondere die so genannten Leistungserbringerorganisationen ein echtes und wirkungsvolles Mitentscheidungsrecht erhalten, das ihnen eine Einflussnahme auf die Entscheidungen der Gesellschafterversammlung ermöglicht. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Bundeszahnärztekammer die berechtigten Interessen von Zahnärztinnen und Zahnärzten beim Aufbau bzw. Ausbau der Telematikinfrastruktur und ihren Anwendungen angemessen vertreten kann.“
Die BV fordere den Gesetzgeber somit auf, das BMG aus der Rolle des Mehrheitsgesellschafters in der künftigen Digitalagentur für Gesundheit zu entlassen und die gemeinsame Selbstverwaltung mit den Stimmrechten auszustatten, die für eine wirkungsvolle Einflussnahme auf die Entscheidungen der Digitalagentur notwendig seien.
Die BZÄK-BV beschloss zudem die Verringerung der Delegiertenzahl von 171 auf 139, um so Kosten zu reduzieren. Die Mindestanzahl an Delegierten je Landeszahnärztekammer belaufe sich künftig auf zwei.
In einer weiteren Resolution wurde die Änderung der Musterweiterbildungsordnung der BZÄK angenommen, die in den jeweiligen Anlagen dokumentiert ist. Zur Notwendigkeit der Anpassung heißt es in dem entsprechenden Beschluss: „Aus qualitätssichernden Gründen wird ein Anpassungsbedarf im Paragrafenteil der Musterweiterbildungsordnung der BZÄK gesehen. In Angleichung an internationale Standards der Wissensvermittlung sollen die fachspezifischen Inhalte der MWBO als Erwerb von Kompetenzen beschrieben werden. Im Einzelnen ergeben sich die Begründungen zu den vorgenommenen Änderungen aus der Spalte 3 der Anlage 1 und den überarbeiteten Tabellen zur Methodenkompetenz und Handlungskompetenz Oralchirurgie und Kieferorthopädie entsprechend der Anlage 2.“
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