Praxismanagement
Es müssen nicht immer zu schwache Schlüssel oder fehlerhafte Technik sein: Auch organisatorische Mängel wirken sich in einer Sicherheitsinfrastruktur manchmal fatal aus. Zum Beispiel in…
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Freiberufliche Ärzte, die keinen Ehevertrag abgeschlossen haben, kann eine Trennung vom Partner teuer zu stehen kommen: Fließt die Praxis in den Zugewinn, droht der finanzielle Ruin.
„Meistens hat, wenn zwei sich scheiden, einer etwas mehr zu leiden“, wusste schon Dichter Wilhelm Busch (1832-1908). Damit das Ende einer Ehe zumindest aus finanzieller Sicht nicht zum Desaster für freiberufliche Ärztinnen und Ärzte wird, sollten sie vor der Hochzeit unbedingt an einen Ehevertrag denken, empfiehlt Stephan Schmidt, Fachanwalt für Familienrecht aus Mannheim.
„Auch wenn das zunächst einmal nicht besonders romantisch klingt: Diese Vereinbarung hilft dabei, dass die Arztpraxis im Falle der Scheidung nicht oder zumindest nicht vollständig in den Zugewinn einfließt.“ Und dass es trotz der anfänglich großen Liebe doch zur Trennung kommt, ist gar nicht so unwahrscheinlich: Laut Statistischem Bundesamt wurden im Jahr 2022 137.400 Ehen geschieden. Damit ging jede dritte eheliche Verbindung in die Brüche (35 Prozent).
Zur Erinnerung: Der Gesetzgeber sieht vor, dass Eheleute grundsätzlich im sogenannten Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben. Dabei verwaltet jeder Ehegatte sein Vermögen selbst, bei der Hochzeit verschmilzt es also nicht automatisch mit dem Vermögen des anderen. Erst mit der Scheidung wird das während der Ehe erwirtschaftete Vermögen im Rahmen des Zugewinnausgleichs aufgeteilt. Dabei erhält derjenige, der weniger erwirtschaftet hat, die Hälfte dessen, was der andere mehr aufgebaut hat.
Für Ärzte und Zahnärzte bedeutet dies, dass der Wert ihrer Praxis in den Zugewinn einfließt und sie die Hälfte an den geschiedenen Ehegatten auszahlen müssen – wenn dies nicht zuvor vertraglich ausgeschlossen wurde.
Der Zugewinn fließt in Form einer Geldzahlung, die Praxis wird nicht an den Partner übertragen, der Arzt bleibt also nach der Scheidung weiter Inhaber. „Ohne notariell beurkundeten Ehevertrag kann eine Trennung für Praxisinhaber richtig teuer werden und auch Jahre dauern“, so Schmidt. Gerade erst konnte er einen Fall abschließen, bei dem sich ein inzwischen geschiedenes Paar vier Jahre um den Wert einer Praxis gestritten hatte.
Derartige Auseinandersetzungen trieben nicht nur Rechtsanwalts-, Gutachter- und Gerichtskosten in die Höhe, sondern seien auch emotional für beide Parteien äußerst anstrengend. Schmidts Erfahrung nach verfügen nur die wenigsten Ärzte mit eigener Praxis über einen Ehevertrag. Er schätzt die Zahl auf maximal 50 Prozent.
Was erwartet die Mediziner, die keine entsprechende Vereinbarung getroffen haben? Zunächst einmal geht es für das Familiengericht darum, sich einen Überblick über das Vermögen beider Partner zu verschaffen. Dafür sind zwei Stichtage entscheidend: Einerseits wird geschaut, was jeder Einzelne am Tag der standesamtlichen Hochzeit mit in die Ehe eingebracht hat, sowohl Aktiv- als auch Passivposten. Alles muss mit den entsprechenden Unterlagen belegt werden. Zum Anfangsvermögen gehört auch das, was einem Partner geschenkt wurde oder er geerbt hat.
Das zweite wichtige Datum ist der Tag, an dem der Scheidungsantrag dem anderen Ehegatten durch das Gericht zugestellt wird (Rechtshängigkeit der Scheidung). Was dazwischen von beiden Partnern erwirtschaftet wurde, gehört in den Zugewinn. Arztpraxen sind ebenso wie gemeinsam angeschaffte Immobilien ein Vermögenswert.
Wichtig: Betrachtet wird nur das während der Ehe erwirtschaftete Vermögen, im Anschluss daran erzielte Gewinne – also das Einkommen der Ärzte – müssen nicht güterrechtlich ausgeglichen werden. Diese werden aber bei den laufenden Unterhaltszahlungen für Kinder und Ehegatten berücksichtigt.
Wenn es darum geht, die Praxen zu bewerten, gibt es verschiedene Methoden. Bei Ehescheidungen hat sich laut Bundesgerichtshofs (Az.: XII ZR 185/08 und XII ZR 40/09) die modifizierte Ertragswertmethode durchgesetzt: Hierbei betrachtet der Gutachter zunächst den Substanzwert, der aus Sachwerten wie beispielsweise Immobilien und Grundstücken, medizinischen Geräten und Einrichtungsgegenständen besteht.
Weiterhin gilt es, den ideellen Wert einer Arztpraxis zu ermitteln, den so genannten Goodwill. Zugrunde gelegt werden hierfür die durchschnittlichen Umsätze der letzten drei Jahre, abzüglich eines angemessenen Unternehmerlohns, dieser orientiert sich am Bruttogehalt eines gleichwertig erfahrenen, angestellten Facharztes. Außerdem fließen in die Berechnung die Kosten ein, die die Niedergelassenen als Arbeitgeber haben.
„Die Praxis soll so bewertet werden, als würde sie ein anderer Arzt übernehmen und zukünftig damit wirtschaften“, erläutert Schmidt. Er weist allerdings darauf hin, dass es sich bei dem Berechnungsmodell um reine Theorie handelt. Denn ob sich für den ermittelten Verkehrswert tatsächlich ein Nachfolger findet, bleibt unberücksichtigt.
Kompliziert wird es für die Richter dann, wenn Aspekte ins Spiel kommen, die mit der Person des Arztes oder der Ärztin zusammenhängen: Welches Ansehen hat der Praxisinhaber im Laufe der Zeit erworben? Wie ist es um sein medizinisches Know-how und sein unternehmerisches Geschick bestellt? Und nicht zuletzt haben sowohl die Struktur des Patientenstamms und des Mitarbeiter-Teams als auch die Konkurrenz-Situation am Standort Einfluss auf die Bemessung des Verkehrswertes.
„Diese immateriellen Faktoren können den Wert der Praxis deutlich steigern – und damit auch die Summe des Zugewinnausgleichs erhöhen. Um die finanziellen Mittel dafür aufzubringen, müssen Ärztinnen und Ärzte im schlimmsten Fall ihre Praxis veräußern“, warnt der Rechtsanwalt. Und das sogar relativ schnell, denn die Zahlung an den Ex wird bei Rechtskraft der Scheidung sofort fällig.
Kurz gesagt: Ohne Ehevertrag kann eine Scheidung die Existenz des Mediziners gefährden.
Bei Gemeinschaftspraxen und Medizinischen Versorgungszentren wird im Prinzip genauso verfahren. Hier geht es um die jeweiligen Geschäftsanteile des Freiberuflers, die in die Berechnung des Zugewinns einfließen. Um den Wert dieser Anteile zu bemessen, kommen häufig Sachverständige zum Einsatz.
Viele Gesellschaftsverträge beinhalten allerdings Vertragsklauseln, die die Gesellschafter zum Abschluss eines Ehevertrages verpflichten. Auch hier gilt: Hat der Gesellschafter keine entsprechende Vereinbarung geschlossen, zählt sein Unternehmensanteil zum Zugewinn.
Aber auch ohne Ehevertrag haben getrennte Paare die Möglichkeit, sich außergerichtlich zu einigen. In diesem Fall wird eine Scheidungsfolgevereinbarung geschlossen, sozusagen ein verspäteter Ehevertrag. Dies ist zu jedem Zeitpunkt während der Ehe möglich, auch noch im ersten Jahr nach der Trennung.
In diesem Vertrag kann festgelegt werden, dass die Praxis beim Zugewinn komplett außen vor bleibt. Ebenso wie im Ehevertrag sind hier aber auch individuelle Lösungen möglich. So kann der Zugewinn beispielsweise auf bestimmte Sachwerte beschränkt werden. Oder die Parteien vereinbaren einen maximalen Ausgleichsbetrag oder eine Zahlungs-Stundung.
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