Die Qual der Wahl: Zwischen Bürgerversicherung und Stärkung der Freien Berufe

Kein „Weiter so“ in der Gesundheitspolitik! – das ist der Konsens in den Wahlprogrammen der prominentesten Parteien, mit denen sie zur Bundestagswahl am 23. Februar antreten. Wie die Zukunft der Gesundheitsversorgung am besten aussehen soll, da divergieren die Ansichten dann vehement. Mit der Idee der Bürgerversicherung kehrt eine alte Bekannte wieder. Aber es gibt auch klare Bekenntnisse zur Selbstverwaltung und zur Einzelpraxis als Grundpfeiler der Versorgung. Ein Abgleich der Programme mit den standespolitischen Forderungen.

Nun steht sie also an, die vorgezogene Bundestagswahl vom 23. Februar. Nachdem die Liberalen die Ampel-Koalition aufgekündigt haben, herrschen gefühlt Chaos und Stillstand in Deutschland – mit potenziell negativen Auswirkungen auf den Standort Deutschland sowie Europa. Sowohl die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) als auch die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) haben ihre gesundheitspolitischen Wunschlisten/Forderungen bezüglich standespolitischer Belange in jeweils eigenen Programmen vorgelegt – die KZBV fünf, die BZÄK zehn Punkte. Die Gesundheitsversorgung und deren künftige Ausgestaltung ist in den Wahlprogrammen der antretenden Parteien unterschiedlich prominent vertreten. Tenor der Parteien aller Couleur: Kein Weiter so!

Die spannendste Frage dürfte aus Sicht vieler Zahnärztinnen und Zahnärzte die sein, ob die Liberalen den Wiedereinzug in den Bundestag schaffen – oder das zweite Mal nach 2013 mindestens eine Runde aussetzen müssen. Das Wahlprogramm der FDP bildet im Parteienvergleich – traditionell – die größte Schnittmenge mit den Forderungen von KZBV und BZÄK.
Die Linke hat im Gegensatz zur FDP eine günstigere Voraussetzung. Da das Bundesverfassungsgericht im Zuge der Klage gegen die Wahlrechtsreform die Streichung der Grundmandatsklausel für nicht erklärt hat, kann sich die Partei auch bei einem Zweitstimmenanteil unter der Fünf-Prozent-Hürde Abgeordnetenplätze im Plenum sichern – und zwar über das Siegen ihrer Erststimmen-Kandidaten in bundesweit mindestens drei Wahlbezirken. Das gelang ihr bei der letzten Wahl 2021.
Insgesamt wird die Zahl der Bundestagsabgeordneten nach der erfolgten Wahlrechtsreform von derzeit 733 auf dann maximal 630 verkleinert. Es gibt keine Direktmandate und im Zuge dessen auch keine Ausgleichs- oder Überhangmandate mehr. Das System von Erst- und Zweitstimme bleibt zwar grundsätzlich erhalten, allerdings entscheidet fortan allein das Zweitstimmenergebnis darüber, wie viele Sitze einer Partei im Bundestag zustehen.

Sieben Parteien mit realistischen Chancen auf Einzug in den Bundestag

Laut Mitteilung der Bundeswahlleiterin dürfen 29 der 41 vom Bundeswahlausschuss formal als Partei anerkannten Bewerber an der Wahl am 23. Februar teilnehmen. Mit CDU/CSU (Union), AfD, SPD, Bündnis 90/Grüne (Grüne), BSW (Bündnis Sahra Wagenknecht), Linke und FDP haben laut Umfragen nur diese sieben Parteien eine realistische Chance auf den Einzug in den nächsten Bundestag. Daher beschränkt sich diese Analyse auf den Abgleich der standespolitischen Forderungen von BZÄK („Verlässlich. Vor Ort.“) und KZBV („Agenda Mundgesundheit“) mit den jeweiligen Wahlprogrammen.
Ist die Union unter ihrem Kanzlerkandidaten Friedrich Merz erfolgreich auf der Suche nach Partnern für eine Mehrheitskoalition, dürfte auch die Gesundheitspolitik angesichts widerstrebender Programmpunkte ein Spannungsfeld werden. Und ob die Schwarzen dann auch das Gesundheitsressort, wie bereits öffentlich für sich reklamiert, bekommen werden, wird sich zeigen.

Plädoyer für neue Vertrauenskultur

Die BZÄK plädiert im Vorwort ihrer gesundheitspolitischen Positionen klar für einen Neustart: „Uns geht es vor allem um eine Veränderung im Mindset: Weg vom Misstrauen und Gängelung, hin zu eine neuen Vertrauenskultur. Weg mit unnötiger Bürokratie, hin zu mehr Behandlungszeit für unsere Patientinnen und Patienten. Von der nächsten Bundesregierung erwarten wir, dass sie sich für praxisbezogene Anliegen einsetzt, z. B. die Erleichterung der Praxisgründung und -führung. Wir brauchen außerdem eine den allgemeinen Kostenentwicklungen folgende Honorierung, so wie sie anderen Freien Berufen auch zu Teil wird. … Und wir brauchen eine sinnvolle Implementierung und Nutzung der Digitalisierung in unseren Praxen.“
Die KZBV gibt sich hier im Ton etwas sanfter: Um die „beispielhaft gute zahnmedizinische Versorgung zukunftsfest zu machen, sollte daher gesundheitspolitisches Kernanliegen jeder Bundesregierung sein. Das Recht auf freie Arzt- und Zahnarztwahl, der Erhalt des dualen Versicherungssystems, die Sicherung der Freiberuflichkeit und die Förderung der Selbstverwaltung mit weitem Gestaltungsspielraum sollten die Eckpfeiler gesundheitspolitischen Handelns darstellen.“

Zwischen Zugeständnissen und Kampfansagen

Die wichtigsten Forderungen und die Antworten der Parteien im Überblick – wobei vorweggeschickt sei, dass sich in den Wahlprogrammen von Union, SPD, Grünen und FDP kein expliziter, zahnmedizinischer Bezug finden lässt:

Prävention: „Erfolgsweg der Prävention durch Planungssicherheit und verlässliche Finanzierung weitergehen“, hat sich hier die KZBV auf die Fahne geschrieben. Im Wesentlichen führt sie unter diesem Dach ihren Kampf gegen Honorardeckelungen – de facto Honorarkürzungen – im Zuge des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes fort. Selbst mit Hinweis auf die nachweisbar weiter zurückgehende Inanspruchnahme der Parodontitistherapie auf Kasse und die daraus resultierenden, potenziell negativen Folgen für die Prävention und die Mundgesundheit hat sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bisher nicht erwärmen lassen, hier gegenzusteuern. Daher fordert die KZBV explizit die „gesetzliche Verankerung der Parodontitistherapie als Präventions- und Früherken-nungsmaßnahme“.
Die BZÄK erwähnt hingegen die kassenfinanzierte PAR-Strecke nicht explizit, sondern hält sich in puncto Prävention eher allgemein. Sie verweist darauf, dass Prävention und Gesundheitsförderung als Grundpfeiler für eine gute (Mund-)Gesundheit Wechselwirkungen zwischen der Mund- und der Allgemeingesundheit seit vielen Jahren wissenschaftlich belegt seien. „Zahnmedizinische Prävention und Gesundheitsförderung führen so zu einer signifikanten Verbesserung der Mundgesundheit und auf diese Weise, neben Kosteneinsparungen, zu einer erheblichen Verbesserung der Lebensqualität mit positiven Auswirkungen auf die Allgemeingesundheit. Es ist daher wichtig, die Expertise der Zahnärzteschaft im Bereich der Prävention systematisch zu nutzen.“
Die Union will die Prävention in den Mittelpunkt stellen: „Große Chancen sehen wir in der Verhinderung gängiger Volkskrankheiten. Wir wollen Präventionsangebote in allen Lebensbereichen verbessern und die Menschen in ihrer Eigenverantwortung und Gesundheitskompetenz stärken.“
Die FDP verspricht, eine aktive Präventionsstrategie starten zu wollen – inklusive Suchtprävention und Mental Health. Im Programm steht dazu: „Die Digitalisierung bietet hierbei große Chancen, zum Beispiel durch Gesundheits-Apps, Telemedizin und Wearables. Wer Vorsorge betreibt, verursacht dadurch weniger Ausgaben für seine Krankenkasse. Deshalb wollen wir den Krankenkassen ermöglichen, für diese Versicherten einen reduzierten Zusatzbeitrag einzuführen.“ Wie die FDP, so setzt die SPD ebenfalls auf die Digitalisierung zur Stärkung der (Sucht-)Prävention. Die Sozialdemokraten wollen demnach „die elektronische Patientenakte zu einem persönlichen Gesundheitsberater für die Versicherten weiterentwickeln. Dieser soll die besten Wege für die Förderung der individuellen Gesundheit aufzeichnen. Prävention und Früherkennung stehen für uns im Mittelpunkt.“
Auch die Grünen positionieren sich klar zur Prävention: „Prävention und Gesundheitsförderung wollen wir grundsätzlich als Querschnittsaufgabe in allen Politikbereichen verfolgen. Wir wollen den öffentlichen Gesundheitsdienst stärken und dabei vor allem Menschen in sozioökonomisch benachteiligten Verhältnissen in den Blick nehmen.“ Auch die Grünen adressieren die Stärkung der Suchtprävention.
Das BSW schreibt in puncto Prävention nur, diese sei im Laufe der Jahre unter die Räder gekommen „zugunsten einer immer teureren ‚Reparaturmedizin‘, der Bevorzugung von eingriffsbezogenen Diagnosen und der Behandlung von Akuterkrankungen zuungunsten von chronischen Mehrfacherkrankungen.“ Diese Fehlanreize müssten überwunden werden.
Die AfD greift das Wort Prävention nur einmal auf in ihrem Programm, aber nicht in puncto Gesundheitsversorgung, sondern mit Blick auf die Einschleppung invasiver Tier- und Pflanzenarten.
Die Linke stellt fest, dass es gegenwärtig „kaum Förderung von Prävention und gesunden Lebensweisen“ gebe. Sie adressiert Prävention vor allem im Hinblick auf eine umfassende Drogenpolitik.

Selbstverwaltung stärken: Für die KZBV zentral sind hier die beiden Punkte der Beschränkung politischen Handelns auf die Festlegung von Rahmenbedingungen sowie die Expertise und Praxisnähe der Selbstverwaltung zu nutzen und deren Handlungs- und Gestaltungsspielräume zu erhalten und weiter auszubauen. Die BZÄK setzt auf eine hohe Versorgungsqualität unter anderem fußend auf der Selbstverwaltung. Die FDP bekennt sich explizit zur Selbstverwaltung und damit zur Stärkung der Angehörigen der Freien Berufe. Die AfD bekennt sich zur Selbstverwaltung – unter anderem zum Zwecke des Bürokratieabbaus. Auch die SPD will sie in alle versorgungsrelevanten Projekte aktiv einbinden. Die CDU nennt die „bewährte Selbstverwaltung“ einen „Grundpfeiler des deutschen Gesundheitssystems“.
Das BSW adressiert die Selbstverwaltung nicht expressis verbis. Es will aber den Gemeinsamen Bundesausschuss mit der Formulierung von Mindestanforderungen an eine quasi sektorenlose Versorgung beauftragen. Linke und Grüne adressieren die Selbstverwaltung nicht als eigenständigen Punkt.

Stärkung der Freiberuflichkeit und wohnortnahen Versorgung: Hier plädiert die KZBV für die „Stärkung der freiberuflichen und inhabergeführten Praxisstrukturen, insbesondere in ländlichen und strukturschwachen Regionen.“ Die BZÄK hebt ab auf die Wahrung der hohen Versorgungsqualität durch die Sicherung der Freiberuflichkeit inklusive Wahrung der freien Arztwahl seitens der Patienten. „Gemeinsam mit ihren Teams versorgen die Zahnärztinnen und Zahnärzte ihre Patentinnen und Patienten auf hohem Niveau. Wichtige Bedingungen dafür sind freie Arztwahl, die zahnärztliche Therapiefreiheit sowie die auf Vertrauen begründete individuelle Patientenbetreuung. Diese Erfolgsparameter dürfen nicht in Frage gestellt werden und müssen durch kluge Regulierung vor Ökonomisierung sowie vor Verstaatlichung und Prüfbürokratie geschützt werden“, steht es im Forderungskatalog.
Die BZÄK fordert zudem attraktive Rahmenbedingungen für die flächendeckende Zahnmedizin ein – und zwar unter dem Motto „verlässlich, niedrigschwellig, wohnortnah“. Damit das hohe Versorgungsniveau aufrechterhalten werden könne, bedürfe es der Stärkung der Hauszahnarztpraxis. Denn auch auf dem Land biete die inhabergeführte Zahnarztpraxis individuell abgestimmte Behandlungsmöglichkeiten.
Implizit setzen sich Union, FDP und Grüne für das Stärken von Hauszahnärzten ein. Im Programm der Liberalen heißt es dazu: „Als Freie Demokraten setzen wir uns dafür ein, dass alle Menschen in Deutschland Zugang zu einer wohnortnahen und qualitativ hochwertigen Versorgung haben – im ländlichen Raum und in der Stadt. In der ambulanten Versorgung setzen wir uns für ein Primärarztsystem ein: Haus- und Kinderärzte sollten die erste Anlaufstelle für Patientinnen und Patienten sein. Zu einer Stärkung der flächendeckenden ambulanten Versorgung gehört für uns auch, dass die ungekürzte Vergütung aller Gesundheitsberufe leistungsgerecht erfolgen muss.“ Zur Freiberuflichkeit verhält sich die FDP so: „Wir bekennen uns zu den Freien Berufen im Gesundheitswesen. Diese müssen in medizinischen Fragen autonom und frei von Weisungen Dritter entscheiden können. Die Therapiefreiheit der Behandlung ohne Budgetierungszwang kommt den Patientinnen und Patienten zugute.“
Die Grünen wollen „die Primärversorgung insbesondere durch Hausärzt*innen stärken, um eine bessere Behandlungsqualität zu erreichen. Unterversorgte Gebiete wollen wir stärker unterstützen. Die Verteilung von niedergelassenen Ärzt*innen muss enger mit der Krankenhausplanung der Länder verknüpft werden. … Durch regionale Verbünde (Gesundheitsregionen) sowie gemeinsame Versorgungszentren, in denen verschiedene Therapie- und Pflegeberufe unter einem Dach zusammenarbeiten, sorgen wir für eine gute Versorgung vor Ort. Und wir wollen Maßnahmen ergreifen, um Fehl- und Überversorgung abzubauen.“
Die Union bekennt sich „zum Grundsatz der Freiberuflichkeit“. Und: „Wir entwickeln die Haus- und Kinderarztpraxen innovativ weiter. Sie soll eine stärkere Steuerungsfunktion der Patienten übernehmen, um zu einer besseren Koordination der Behandlungsabläufe beizutragen und die Wartezeiten auf Arzttermine zu senken.“ Der Union geht es um eine „hochwertige Versorgung in der Stadt und auf dem Land. … Die stationäre Versorgung mit einer flächendeckenden Grund- und Regelversorgung insbesondere im ländlichen Raum sowie der erforderlichen Konzentration von spezialisierten Leistungen denken wir zusammen mit der ambulanten haus- und fachärztlichen Versorgung sowie den Leistungen der anderen Gesundheitsberufe, die mehr Verantwortung für die Versorgung übernehmen sollen. Ziel muss sein, einen kalten Strukturwandel in der Krankenhauslandschaft zu verhindern.“ Außerdem hat sich die Union ein großes Ziel auf die Fahne geschrieben: „Wir führen einen Mentalitätswandel in der Gesundheitspolitik herbei: Miteinander und nicht gegeneinander ist das Gebot der Stunde.“
Die freiberuflich geführte Inhaberpraxis soll laut AfD-Programm „weiterhin das Rückgrat der ambulanten Versorgung bilden. Zur Förderung der Niederlassung von Ärzten im ländlichen Räumen sind finanzielle und organisatorische Niederlassungshilfen zu etablieren.“
Das BSW fordert eine engere Verzahnung ambulanter und stationärer Versorgungsangebote. Es bedenkt dabei auch die Auswirkungen der angestrebten Bürgerversicherung: „Besonders Hausärzte als Ansprechpartner der Patienten müssen höher vergütet werden. Generell darf der Wegfall der Privatversicherung nicht zu Einkommenseinbußen für niedergelassene Ärzte und Zahnärzte führen.“
Die SPD verweist auf ihre in der aktuellen Legislatur angestoßenen Strukturreformen und verspricht, diese konsequent weiterzuverfolgen. „Denn jeder und jede sollen in Deutschland auf eine erreichbare und qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung vertrauen können. Dafür setzen wir den eingeschlagenen Weg zur Stärkung der Versorgungssicherheit fort.“ Ein Mittel zum Zweck sollen Gesundheitskioske sein. Die Freiberuflichkeit spricht die SPD nicht explizit an.
Die Linke setzt den Fokus auf die Stärkung der wohnortnahen Versorgung: „Es braucht eine wohnortnahe, kostenlose Gesundheitsversorgung. Dafür muss der Bund sektorenübergreifende Behandlung und regionale Grundversorgung verlässlich und ausreichend finanzieren.“ Arztpraxen sollen dabei wohl keine zentrale Rolle mehr spielen, wie nachfolgende Ausführungen nahelegen. „Arztpraxen sind oft schlecht erreichbar und selten barrierefrei. Die Terminvereinbarung ist kompliziert und die Wartezeit hängt vom Versichertenstatus ab. Die Linke tritt für eine gute, flächendeckende, barrierefreie und bedarfsdeckende gesundheitliche Versorgung in Stadt und Land ein. Wir wollen kommunale Versorgungszentren als Rückgrat der wohnortnahen Gesundheitsversorgung fördern!“

Regulierung investorengeführter MVZ (iMVZ): Die KZBV fordert hier, „den nach wie vor unkontrollierten Zugang renditeorientierter, fremdinvestoren-betriebener Großversorgungsstrukturen zur zahnärztlichen Versorgung“ zu stoppen. Die BZÄK adressiert diesen Punkt unter der Überschrift „Ungebremste Vergewerblichung der Zahnheilkunde stoppen“. Ihr gehe es um Patientenwohl statt Profit. Sie verweist darauf, dass die 2015 erfolgte, entsprechende Gesetzesänderung, dazu geführt habe, dass fachfremde Investoren die Zahnmedizin als Renditeobjekt entdeckt hätten und sich nahezu ungebremst in Form von iMVZ ausbreiten würden. „Das kann negative Folgen für Patientensicherheit, die Behandlungsqualität und nicht zuletzt auf die Verteilung der Zahnärztinnen und Zahnärzte in Deutschland haben. Bereits 30 Prozent aller zahnärztlichen MVZ befinden sich in Investorenhand“, so die BZÄK.
Union, FDP und AfD äußern sich in ihren Wahlprogrammen nicht explizit zu Investoren im Gesundheitswesen. Die Sozialdemokraten setzen sich für „die Erleichterung der Gründung von kommunalen MVZ“ ein. Das BSW zeigt sich generell als Gegner einer zunehmenden Privatisierung von Versorgungseinrichtungen – und das unabhängig von branchenfremden Investoren.
Die Linke positioniert sich hier eindeutiger: „Private Kapitalgesellschaften (insbesondere Private Equity) investieren in großem Stil in Pflegeeinrichtungen und medizinische Versorgungszentren (MVZ), trimmen sie auf Profite und verkaufen sie teurer weiter. Das wollen wir stoppen!“ Auch die Grünen gehen in diese Richtung: „Wir wollen den Einfluss von Finanzinvestoren auf unsere Gesundheits- und Pflegeversorgung begrenzen. Deshalb wollen wir öffentliche und gemeinnützige Träger stärken und für eine bezahlbare und gerechtere Kranken- und Pflegeversorgung sorgen.“

Bürokratieabbau: Die KZBV weist darauf hin, dass sich für eine durchschnittliche Praxis mehr als 24 Stunden Bürokratieaufwand pro Woche ergäben. Ihr zentrales Anliegen ist demnach der konsequente Bürokratieabbau auf Basis der Vorschläge der Selbstverwaltung zur Entlastung der Praxen und als Instrument zur Förderung der Niederlassung, um dem wachsenden Fachkräftemangel zu begegnen. „Weniger Prüfbürokratie, dafür mehr Behandlungszeit und Zuwendung – das muss das Ziel eines unterstützenden Rechtsrahmens für die Niederlassung sein“, bringt es die BZÄK auf den Punkt.
Die SPD verfolgt offensichtlich nicht das Ziel, für weniger Bürokratie im deutschen Gesundheitswesen zu sorgen. Sie geht die Sache anders an: „Der oft hohe Dokumentationsaufwand belastet viele Beschäftigte im Gesundheitswesen. Um dies zu verringern, setzen wir auf den Ausbau von KI-gestützter Dokumentation.“
Die AfD gibt sich als Bürokratieabbaubefürworter, ohne jedoch zu konkret zu werden, wie dies erreicht werden soll: „Die Bürokratie im Gesundheitswesen hat Ausmaße erreicht, die häufig von der Behandlung von Patienten abhält und erhebliche Kosten verursacht. Das ist Folge eines übertriebenen Sicherheitsbedürfnisses bei dem Aufwand und Nutzen in keinem akzeptablen Verhältnis stehen. Sie ist Ausdruck eines Misstrauens der Politik gegenüber den Leistungserbringern. Zudem ist die bisherige Regulierungsintensität die Begleiterscheinung eines übergriffigen und überbordenden Staatswesens, Die AfD setzt auf Deregulierung, Bürokratieabbau, Selbstverwaltung und auf Eigenverantwortung.“
Die Liberalen begnügen sich mit dem Bekenntnis, „unnötige Bürokratie im Gesundheitswesen“ abbauen zu wollen. Die Grünen setzen beim Abbau unnötiger Bürokratie auf die Digitalisierung.Die Union adressiert die Bürokratie im Gesundheitswesen nicht als eigenen Punkt.
Ebenso wenig explizit machen dies BSW und Linke – das lässt sich mit Blick auf deren jeweiligen Pläne zur wohnortnahen Versorgung erklären.

Dualität der Krankenversicherung: Die BZÄK widmet in ihrem Programm großen Raum der Argumentation gegen eine drohende Bürgerversicherung. Das duale System aus GKV und PKV sichere die Finanzierung, Qualität und Innovationsfähigkeit der zahnmedizinischen Versorgung, betont sie. Dieses bewährte System müsse jedoch durch Reformen gestärkt werden, es bestehe also Handlungsbedarf – nur nicht in Richtung Einheitsversicherung. Warnendes Beispiel für die Folgen einer Bürgerversicherung sei die chaotische Versorgungslage in Großbritannien in Folge des staatlichen Gesundheitsdienstes NHS. Fazit: „Die Finanzierung durch die PKV treibt Innovationen voran und ermöglicht zahnmedizinische Therapien auf dem neuesten Forschungsstand.“
Die Union bekennt sich in ihrem Programm klar „zur Dualität von gesetzlicher und privater Krankenversicherung“. Sie strebe „mehr Effizienz beim Einsatz von Beitragsgeldern“ an und will den Wettbewerb der Kassen stärken. Die FDP wird in ihrem Bekenntnis zur Dualität noch konkreter: „In beiden Versicherungssystemen wollen wir Wechsel- und Wahlfreiheit der Versicherten stärken. Um die ungebremste Leistungsausgabenentwicklung in der GKV in den Griff zu bekommen, sollen in Zukunft die Ausgaben nicht stärker wachsen als die Einnahmen. Zusätzlich werden wir alle Leistungsausweitungen der letzten zehn Jahre einem Evidenz-, Effizienz- und Wirtschaftlichkeitscheck unterziehen. Leistungen, die sich nicht bewährt haben, sollen aus dem GKV-Leistungskatalog gestrichen werden.“
Die AfD will die GKV stärken, ohne die PKV abzuschaffen. Aber ihr Vorschlag hat auch seinen Preis: Ein „Ansatzpunkt zur Senkung der Krankenversicherungsbeiträge sind die exorbitant hohen Verwaltungskosten, die wir durch eine Zusammenführung von Kranken- und Pflegeversicherung, sowie die Vereinfachung der enorm aufgesplitterten Selbstverwaltungsstrukturen bei Kassenärzten, Krankenhaus-, Rehabilitations- und Pflegedienstleistungen massiv senken wollen.“
Die restlichen vier Parteien befinden sich explizit auf „Bürgerversicherungskurs“. Die SPD will es so angehen: „Wir setzen auf ein solidarisches System einer Bürgerversicherung, das allen Menschen gleichen Zugang zu Gesundheitsleistungen in gleicher Qualität ermöglicht. Für Beamtinnen und Beamte des Bundes schaffen wir ein echtes Wahlrecht zur gesetzlichen Krankenversicherung durch eine pauschale Beihilfe. Der Finanzausgleich zwischen den Krankenkassen soll gerechter ausgestaltet werden, und auch die privaten Versicherungen sollen zum Risikostrukturausgleich beitragen. Ein solidarisches Finanzierungssystem schafft Vertrauen und nimmt den Bürgerinnen und Bürgern die Sorge vor finanziellen Belastungen. Deshalb stärken wir das beitragsfinanzierte Umlagesystem. Krankenkassen und private Krankenversicherungen bilden so ein System einer solidarischen Bürgerversicherung aus.“
Die Grünen haben noch eine weitere Komponente im Blick – Kapitaleinnahmen: „Die Beitragsbemessung werden wir reformieren und beispielsweise auch Kapitaleinnahmen zur Finanzierung unseres Gesundheits- und Pflegesystems heranziehen.“
Auch die Linke liebäugelt mit Kapitaleinkünften: „Wir streiten für eine solidarische Gesundheits- und Pflegeversicherung. Alle zahlen ein, Beiträge werden auf alle Einkommen erhoben, alle werden gut versorgt. Die Beitragsbemessungsgrenze fällt weg. Auch auf Einkommen aus Kapitalerträgen und andere Einkommensarten müssen Beiträge gezahlt werden. Privatversicherte werden in die gesetzliche Krankenversicherung einbezogen. Dadurch sinkt der Beitrag für die Krankenversicherung von derzeit 17,1 auf etwa 13,3 Prozent des Bruttolohns.“
Das BSW „will ein Ende der Zwei-Klassen-Medizin, die Kassenpatienten benachteiligt und ihnen immer mehr Kosten aufbürdet, die eigentlich von der Allgemeinheit zu tragen wären.“ Dazu gehört die Forderung nach „Abschaffung der Zusatzbeiträge und die Einführung einer Bürgerversicherung, in die alle Bürger nach ihrem Einkommen einzahlen und grundsätzlich gleiche Leistungen auf dem Niveau der höchsten medizinischen Standards erhalten.“ In diesem Zusammenhang adressiert das BSW explizit die zahnmedizinische Versorgung: „Mehr als fünf Milliarden Euro zahlen die Bürger jedes Jahr aus eigener Tasche für zahnmedizinische Behandlungen. Wir wollen notwendigen Zahnersatz und Sehhilfen vollständig in den Leistungskatalog der gesetzlichen Gesundheitsabsicherung zurückholen. Das Lächeln der Menschen darf nicht vom Geldbeutel abhängen!“

Privatliquidation: Neben den GKV-Einnahmen sind die aus der Privatliquidation erzielten Erlöse das wesentliche Rückgrat der meisten Zahnarztpraxen. Die BZÄK rückt ihre Forderung nach Anpassung des GOZ-Punktwertes und einer GOÄ-Reform in den Fokus: „Die Preismechanismen des Marktes greifen hier nicht. Die Honorare der GOZ müssen daher dynamisch an die Entwicklung der gestiegenen Kosten angepasst werden. Erhöht werden muss der GOZ-Punktwert, der seit 1988 unverändert bei 11 Pfennig (5,6 Cent) liegt.“
Union, FDP und AfD äußern sich nicht explizit zur GOZ/GOÄ. Das Thema erübrigt sich wohl aus Sicht von SPD, Grüne, Linke und BSW, da jeweils eine Bürgerversicherung angestrebt wird.

Digitalisierung praxistauglich gestalten: Die KZBV fordert die Abkehr von einer Sanktionspolitik hin zu einer Politik, die durch positive Anreize Motivation und Akzeptanz der Digitalisierung in den Praxen schafft. Damit verbunden ist der Wunsch nach Etablierung praxistauglicher, gut erprobter Anwendungen der Telematikinfrastruktur (TI) zur Verbesserung der Patientenversorgung und Unterstützung der Praxen bei der Bürokratiebewältigung.
Die Union will die Digitalisierung im Gesundheitsbereich voranbringen. „Sie ist der Schlüssel zu schnellerer und sicherer Versorgung. Die Potenziale der elektronischen Patientenakte, von digitalen Gesundheitsanwendungen oder des Einsatzes von KI werden wir im Einklang mit dem Datenschutz weiter ausschöpfen. Mit umfassender Aufklärung wollen wir die freiwillige Weitergabe der persönlichen Gesundheitsdaten für klinische Studienzwecke und damit die Bekämpfung von Krankheiten voranbringen. Die Digitalisierung in den Arztpraxen und der ambulanten Versorgung wollen wir gezielt unterstützen.“
Die FDP will die Digitalisierung auf jeden Fall weiter vorantreiben. Auf deren Potenzial ist sie unter anderem im Zusammenhang mit der Prävention eingegangen. Die Grünen setzen explizit auf die weitere Digitalisierung – auch auf KI. Und: „Die Nutzung von Daten für Forschung und Versorgung haben wir verbessert und werden auf diesem Wege weitergehen.“
Die AfD macht es kurz, lehnt die TI als „zentrale Datenbank“ ab. „Wir befürworten die Speicherung eines Notfalldatensatzes, einschließlich eines Medikamentenplans und einer Patientenverfügung auf der Krankenversicherungskarte“, äußert sich die Partei zur Digitalisierung im Gesundheitswesen. Das BSW vertieft das Thema ebenfalls nicht sehr: „Gesundheitsversorgung beruht auf menschlichem Kontakt. Die ärztliche Schweigepflicht ist daher eine Grundvoraussetzung, um Vertrauen in die Versorgung zu schaffen. Jegliche Bemühungen um eine Digitalisierung des Gesundheitswesens haben sich an diesem Grundsatz zu orientieren.“
Die Linke widmet sich den Punkten ePA und DiGA: „Wir wollen, dass die elektronische Patientenakte konsequent auf die Verbesserung der Behandlungen ausgerichtet ist und nicht riesige Datenmengen ohne Wissen der Patient*innen auch für kommerzielle Player freigegeben werden.“ Für DiGA bedürfe es wissenschaftlicher Bewertungsverfahren. „Wir wollen Open-Source-Anwendungen öffentlich fördern!“, heißt es dazu im Programm. Die SPD setzt, wie oben dargelegt, vor allem bei Prävention und Bürokratie auf die Digitalisierung. Und: „Der digitalisierte Datenaustausch wird schon bald die Erforschung neuer Therapien nachhaltig unterstützen. Für die Krebsbehandlung und Demenz wird KI Heilungen ermöglichen.“

Ausbildung/Fachkräftemangel: Für das politische Ziel eines wohnortnahen und niedrigschwelligen Zugangs zur Zahnmedizin auch in Zukunft sicherstellen zu können, bedürfe es, mahnt die BZÄK, guter Ausbildungsbedingungen für Zahnmedizinerinnen und Zahnmediziner, einer Stärkung des erfolgreichen dualen Ausbildungssystems für die Mitarbeitenden in den Praxen und insgesamt attraktiver Rahmenbedingungen.
Die AfD bleibt hier ihrem bekannten Kurs treu: „Bei medizinischem Fachpersonal, das sprachliche Defizite aufweist, kann weder eine Vertrauensbasis entstehen, noch können Missverständnisse im Behandlungsablauf ausgeschlossen werden. Sowohl die fachliche als auch sprachliche Qualifikation (Niveau C1) müssen uneingeschränkt dem deutschen Standard genügen. Es müssen vorrangig Studienplatzbewerber mit deutscher Staatsangehörigkeit für das Fach Medizin/Zahnmedizin ausgebildet werden. Wir fordern eine Ausweitung des Angebots an Studienplätzen in Zahn- und Humanmedizin. Derzeit besteht ein Mangel an diesen Studienplätzen.“
Das BSW spricht sich für die Erhöhung der Medizinstudienplätze aus – und gibt zu bedenken: „Junge Leute mit einem harten Numerus clausus vom Medizin-Studium abzuhalten und dann die Ärzte aus ärmeren Ländern anzuwerben, ist eine zynische Politik.“
Die Linke schreibt ohne expliziten Verweis auf Zahnmedizinische oder Medizinische Fachangestellte (MFA/ZFA), sie fordere eine Ausbildungsoffensive und allgemeinverbindliche Tarifverträge. Der Fokus liegt für sie auf dem Pflegepersonal.
Auch die SPD referenziert nicht auf MFA oder ZFA, kündigt aber mögliche weitere Vorgaben an: „Wir wollen zudem dafür sorgen, dass die bedarfsgerechte Personalausstattung bundeseinheitlich für alle Beschäftigtengruppen im Gesundheitswesen eingeführt wird. Damit verbessern wir entscheidend die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.“ Zum Fachkräftemangel äußert sie sich folgendermaßen: „Um dem durch den demografischen Wandel bedingten Personalmangel entgegenzuwirken, werden wir die weltweite Anwerbung und Integration von Fachkräften ausbauen. Gleichzeitig wollen wir die Attraktivität der Ausbildungen steigern, denn die Auszubildenden von heute sind die Fachkräfte von morgen.“
Ohne konkreten Bezug zur (zahn-)medizinischen Versorgung äußern sich FDP und Grüne in ihren Programmen: „Die Anerkennung im Ausland erworbener Abschlüsse wollen wir beschleunigen und durchgehend digitalisieren“, steht es bei den Liberalen. Die Grünen äußern sich wie folgt: „Deutschland muss für die besten Arbeitskräfte aus aller Welt attraktiv sein. Wir wollen, dass Menschen, die bei uns arbeiten wollen, ihr Arbeitsvisum online beantragen können und dafür nur einen Ansprechpartner brauchen. Eine digitale Einwanderungsagentur soll den Einwanderungsprozess modernisieren und beschleunigen. Wir setzen uns dafür ein, dass ein Austausch mit Ämtern und Behörden noch leichter auf Englisch erfolgen kann. Die Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen vereinfachen wir deutlich und schaffen dafür eine zentrale Anerkennungsstelle.“ Die Union gibt sich noch allgemeiner: „Mit einer Fachkräfteoffensive bekämpfen wir das Problem und sorgen für mehr Produktivität. Für ausländische Fachkräfte wollen wir ein attraktiver Standort sein und lebenswerte Heimat werden. … Den Fokus legen wir auf die vereinfachte und beschleunigte Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen.“

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