Praxismanagement
Ein internistisches Zentrum mit den Schwerpunkten Gastroenterologie, Kardiologie und Diabetologie in Völklingen hat vor einiger Zeit die Reißleine gezogen. Wer zweimal ohne guten Grund einen…
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Allgemeinärztin Annette Rennert aus der Praxis im Kaiserviertel in Dortmund hat mit ihrem Praxisteam die Herausforderung E-Rezept bereits vor einem Jahr angenommen. Ihre Erfahrung: Die Entlastung für Ärztinnen und MFA ist groß.
Ist der elektronische Heilberufeausweis (eHBA) erst einmal freigeschaltet, ist die größte Hürde beim elektronischen Rezept (E-Rezept) schon genommen. „Das Freischalten des Ausweises ist aufwändig“, berichtet die Dortmunder Allgemeinmedizinerin Annette Rennert. Der Umgang mit PIN und PUK (PIN Unlock Key) war eine Herausforderung. „Der erste Schritt ist fies, danach ist es unproblematisch.“
Rennert ist Partnerin in der „Praxis im Kaiserviertel“, einer überörtlichen Gemeinschaftspraxis mit der Praxis „Hausärzte am Hellweg“ in Dortmund Brackel. In den Praxen arbeiten insgesamt vier Partnerinnen und Partner, eine angestellte Ärztin, zwei Weiterbildungsassistenten und eine Ärztin im qualifizierenden Jahr. An beiden Standorten zusammen sind knapp 20 MFA tätig.
Das Problem mit dem eHBA: Beim Einstecken des Arztausweises müssen Ärzte die mitgelieferte PIN eingeben. Klappt das drei Mal nicht, ist der Ausweis gesperrt, ein neuer muss bestellt werden. Am Anfang musste man darauf bis zu acht Wochen warten, jetzt sind es noch zwei. Ist der Ausweis freigeschaltet, vergibt man eine eigene PIN-Nummer wie bei der Bankkarte. Diese benötigt Rennert jedes Mal, wenn sie in der Praxis die Komfortsignatur freischaltet – für 24 Stunden oder 250 Unterschriften. „Mit einem Klick kann man dann das E-Rezept den ganzen Tag nutzen.“
Rennert kann in ihrem Programm einstellen, ob sie einen Zettel mit dem QR-Code ausdrucken will, die Praxis nutzt dafür rosa Papier im DIN A5-Format. Wie beim Muster 16 passen drei Verordnungen auf ein Rezept. Der Ausdruck enthält einen großen Code mit allen Verordnungen sowie kleine für die einzelnen Mittel.
Danach drückt die Ärztin auf den Versenden-Befehl, speichert und schließt den Vorgang. Das war’s. „Ein Haken zeigt an, dass das Rezept verschickt und auf dem gematik-Server ist.“ „Früher hat man auf ‚drucken‘ geklickt, jetzt auf ‚wegschicken‘“, ergänzt ihre Kollegin Karina Pate, Fachärztin für Innere Medizin und Diabetologie.
Beide arbeiten seit rund einem Jahr mit dem E-Rezept. Sie haben sich im Herbst 2022 am Roll-out des E-Rezepts beteiligt, den die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe später stoppte, weil der von ihr favorisierte Zugang der Patienten über die elektronische Gesundheitskarte (eGK) an Datenschutz-Bedenken gescheitert war.
„Der Stopp des Roll-outs hat die Patienten verunsichert“, erzählt Rennert. Durch die Presseberichte sei der falsche Eindruck entstanden, das E-Rezept gebe es gar nicht mehr. Doch die Praxis konnte weiter E-Rezepte ausstellen.
Die Praxis hat im Jahr 2021 auf das Praxisverwaltungssystem von medatixx umgestellt. „Das Programm hat eine Funktion für das E-Rezept“, sagt Rennert. Das Arbeiten mit der E-Signatur war den Ärztinnen und Ärzten schon durch die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) vertraut.
Zunächst hat Rennert in der „Praxis im Kaiserviertel“ mit dem E-Rezept gearbeitet und Pate in der Praxis in Brackel. „Als wir gemerkt haben, dass es gut läuft, haben wir das nach und nach erweitert“, berichtet Praxismanagerin Tanja Whittington. „Es war eine fließende Umstellung.“ Und sie hat besser geklappt, als alle befürchtet hatten. „Wir wollten die Fehler sammeln, aber es gab nur wenige“, sagt Whittington.
Auch wenn die Patientinnen und Patienten mit ihrer eGK oder der E-Rezept-App in die Apotheke gehen können, um das Rezept einzulösen, erhalten sie in der Praxis weiterhin den ausgedruckten Zettel – zusammen mit der Information, dass es damit bald vorbei ist.
Die Resonanz der Patienten ist sehr gut, berichtet Pate. „Beim ersten Mal sind sie nervös, wenn sie zum Einlösen mit der Gesundheitskarte in die Apotheke gehen, aber dann sind sie begeistert.“ Hat es mit der eGK geklappt, wollen die Patienten den Zettel nicht mehr.
Die Gemeinschaftspraxis versorgt Patientinnen und Patienten aller Altersgruppen. Gerade bei den Älteren komme das E-Rezept sehr gut an, so Whittington. „Wir hatten gedacht, die älteren Patienten wären die Problemgruppe, aber sie haben uns eines Besseren belehrt.“ Die schwierigste Altersgruppe sind nach ihren Angaben die 30- bis 40-Jährigen. „Die sträuben sich gegen das E-Rezept.“
In der Praxis gibt es weiterhin Papier-Rezepte. Das ist etwa nötig, wenn die Patienten das Rezept bei einer Online-Apotheke einlösen wollen. Je weniger Rezepte in der Praxis ausgedruckt werden müssen, desto besser, betont Whittington. Denn dann kommen weniger Patienten, um zum Beispiel ihr Wiederholungsrezept abzuholen – denn das ist ja allein über die eGK in der Apotheke abholbereit. „Das schafft Kapazitäten im Team.“ Bestellt werden die Rezepte fast ausschließlich online oder über die Voicebox.
Während des Roll-outs im vergangenen Jahr haben die Ärztinnen und Ärzte die Apotheken abtelefoniert, ob sie mit dem E-Rezept arbeiten. „Es war für die Apotheken wie für uns etwas Neues, da muss man sich gegenseitig helfen“, sagt Rennert. Die Apotheke im Haus der Praxis habe „durch Schmerzen“ gelernt. „Wir haben die Patienten immer wieder hingeschickt.“
Ein Vorteil des E-Rezepts liegt für die Hausärztin darin, dass sie erkennen kann, ob es eingelöst wurde oder nicht. „Wenn mir ein Patient erzählt, sein Hund habe das Rezept gefressen und er brauche ein neues, dann kann ich sehen, ob das stimmt“, sagt sie. „Ich kann nur stornieren, wenn das Rezept nicht eingelöst wurde.“ Gut gefällt ihr auch, dass sie vor dem Signieren der E-Rezepte schnell in die Patientenakte gucken kann. „Früher hatte man die Kladde auf dem Tresen und hat sie durchgeblättert.“ Bei Bedarf musste sie dann das Rezept nehmen, an den Computer gehen und in die Akte gucken. Heute gehe das schneller. „Die Angst der Kollegen, dass sie keine Kontrolle mehr haben, ist unbegründet.“
Wenn früher Freitagnachmittag noch Laborwerte in die Praxis übermittelt wurden und ein Patient etwa ein Antibiotikum benötigte, haben die Mitarbeiterinnen mit den Apotheken telefoniert und dann das Rezept dorthin gefaxt, erinnert sich Praxismanagerin Whittington. „Mit dem E-Rezept kann der Patient sofort in die Apotheke gehen.“
Unzufrieden ist die Hausärztin mit der Verordnung bei Patienten in Pflegeheimen, von denen die Praxis viele versorgt. Für sie müssen die Rezepte weiterhin ausgedruckt werden. Denn die Ärztinnen dürfen das E-Rezept nicht an das Heim mailen. Die eGK ist auch kein gangbarer Weg, weil dann Mitarbeitende des Heimes mit den Karten der Bewohner in die Apotheken fahren müssten.
Die Heime bekommen die gedruckten Rezepte jetzt gebündelt. Der Versand der Rezepte über den KIM-Dienst ist noch Zukunftsmusik, die Heime werden frühestens Mitte 2025 an die Telematikinfrastruktur angebunden.
Die Problematik mit den Heimrezepten verdeutlicht einen Schwachpunkt in der Praxissoftware, sagt Rennert: die mangelnde Kennzeichnungsmöglichkeit. Früher haben die MFA Listen für die Heim-Rezepte vorbereitet, die von den Ärzten unterschrieben werden mussten. Jetzt bereiten die MFA den Stapel vor, Rennert signiert, aber die Rezepte sind nicht geordnet.
Zwar gebe es Listen mit unterschriebenen E-Rezepten, aber die MFA können nicht erkennen, welche gedruckt werden sollen, sagt sie. „Hierfür bräuchten wir Ordner oder Reiter in der Software.“ Auch grüne Rezepte, Betäubungsmittel-Rezepte und Privatrezepte müssen nach wie vor gedruckt werden. „Es würde Sinn machen, wenn man das auch elektronisch machen könnte.“
Auch wenn es an manchen Stellen noch hakt, bleibt das E-Rezept für Rennert eine sehr sinnvolle Sache. „Es bringt eine Arbeitsentlastung durch die geringere Patientenfrequenz und mehr Möglichkeiten der Patientenversorgung.“ Ihrer Meinung nach sollten alle Kolleginnen und Kollegen, die bis jetzt noch gezögert haben, möglichst schnell beginnen, mit dem E-Rezept zu arbeiten, und nicht bis zum 1. Januar 2024 warten.
„Es reduziert den Stress, wenn man jetzt anfängt“, sagt sie. Noch haben die Ärztinnen und Ärzte die Möglichkeit, die Patienten langsam an die Neuerung zu gewöhnen. „Alle verlieren ohne Druck und Zwang die Angst.“
Auch ihre Kollegin Pate hält es für eine schlechte Idee, erst in der Weihnachtszeit mit den Vorbereitungen loszulegen. Dann werden die Systemhäuser überlastet sein, hinzu kommen eine mögliche Grippewelle und die Urlaubszeit. „Man muss einfach irgendwann anfangen“, sagt sie. Anfangen bedeutet für Pate: Wirklich umstellen und es nicht erst lange ankündigen. Das habe sich in der Gemeinschaftspraxis bewährt. „Seit klar ist, dass wir das machen, können es auch alle.“
Rennert freut sich nicht gerade auf den 1. Januar. „Meine Angst ist, dass der gematik-Server zusammenbricht.“ Denn die Probleme mit der eAU habe es auch erst dann gegeben, als viele sie auf einen Schlag genutzt hatten.
Und was ist, wenn es beim E-Rezept ähnlich läuft? „Dann müssten wir alle Patienten informieren, dass sie doch wieder in die Praxis kommen und das Rezept abholen müssen.“ Das möchte sich die Ärztin lieber nicht vorstellen.
Die gematik kündigt für den 20. September eine Schulung zum E-Rezept an, die auch online verfolgt werden kann. Das Informationsangebot richtet sich an Ärzte und MFA und wird gemeinsam mit den KVen Baden-Württemberg, Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein, Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe veranstaltet. Weitere Informationen:
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