EuGH-Urteil zu Betriebsübergang: Praxisnachfolge künftig nur mit Personalübernahme?

Wenn ein Praxisnachfolger einen Großteil der Beschäftigten übernehmen will, darf er nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs davon wohl keine einzelnen Ausnahmen machen.

Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu Notaren in Spanien wird wohl Bewegung auch in die Rechtsprechung zur Praxisnachfolge bringen. Nach dem Luxemburger Urteil „führt der Wechsel des Inhabers einer Notarstelle nicht zwangsläufig zu einer Änderung der Identität des Notariats“. Auch bei Arztpraxen gilt danach wohl, dass ein Nachfolger, der einen Großteil der Beschäftigten übernehmen will, dann keine Ausnahme machen darf und das gesamte Personal übernehmen muss.

Hintergrund sind die Regeln des Betriebsübergangs. Danach tritt der Erwerber eines Betriebes oder Betriebsteils in sämtliche Rechte und Pflichten gegenüber den vorhandenen Mitarbeitern ein. Dies gilt nach ständiger Rechtsprechung, wenn eine in sich funktionsfähige Einheit auf den Erwerber übergeht. Dabei können unter anderem Gebäude, Betriebsmittel und Personal wesentlich für die Funktionsfähigkeit der betrieblichen Einheit sein.

Für Notare in Deutschland hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) 1999 einen Betriebsübergang allerdings generell verneint: „Wesentliches Substrat des Notariats ist die höchstpersönliche Notarbefugnis. Mit ihrem Erlöschen ist das bisherige Notariat aufgelöst. Aus der Übernahme des gesamten Personals mit Ausnahme der Klägerin kann das Vorliegen eines Betriebsüberganges deshalb nicht hergeleitet werden.“

Ähnlich urteilte das BAG zwei Jahre später zu Arztpraxen (Az.: 8 AZR 107/10). Auch deren Betrieb sei mit dem Weggang eines Arztes in der Regel zerschlagen. Denn das Wesen einer Arztpraxis machten vorrangig der Arzt selbst und das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und seinen Patienten aus. Er sei meist der Grund, weshalb Patienten eine bestimmte Praxis aufsuchen. Zumindest in einer Einzelpraxis sei „die gesamte Organisation auf die Person des Arztes zugeschnitten, insbesondere auf dessen individuelle ärztliche Arbeitsweise“.

EuGH räumt wohl Zweifel nach BAG-Urteil bei Ärzten aus

Allerdings hatte das BAG offengelassen, ob die Übernahme eines Großteils des Personals zu einem anderen Ergebnis führt. Schließlich trage neben dem Arzt auch das Personal als „eingespieltes Team“ wesentlich zur Identität und Funktionsfähigkeit der Praxis bei.

Diese Frage wird durch das Notar-Urteil des EuGH nun wohl zugunsten des Betriebsübergangs beantwortet. Die Luxemburger Richter betonten, dass es in Notariaten „im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt“. Und dabei legten sie den Schwerpunkt nicht auf den Notar selbst, sondern auf die Mitarbeitenden.

Daher könne das Notariat auch bei einem Inhaberwechsel seine betriebliche Identität wahren, „wenn ein nach Zahl und Sachkunde wesentlicher Teil der Belegschaft von dem neuen Inhaber der Notarstelle übernommen wird, was es diesem ermöglicht, die Tätigkeiten des Notariats fortzuführen“. Aber auch die Übernahme der Räumlichkeiten und in Spanien der Zuständigkeit für einen bestimmten Bezirk spreche dafür, „dass das Notariat seine Identität gewahrt hat“.

Dem dürfte sich künftig wohl auch das BAG anschließen. Danach läge ein Betriebsübergang vor, wenn der Nachfolger oder die Nachfolgerin die Arbeit des Vorgängers weitgehend nahtlos fortführen kann, weil Räumlichkeiten, Personal, Gerätschaften und gegebenenfalls auch der Patientenstamm zu großen Teilen übernommen wurden.

Formale oder personenbezogene Besonderheiten, wie sie das BAG früher für Notare und Ärzte angeführt hatte, spielen nach dieser EuGH-typischen pragmatischen Sicht allenfalls eine untergeordnete Rolle.

Europäischer Gerichtshof, Az.: C-583/21 und verbundene weitere

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