Praxismanagement
Es müssen nicht immer zu schwache Schlüssel oder fehlerhafte Technik sein: Auch organisatorische Mängel wirken sich in einer Sicherheitsinfrastruktur manchmal fatal aus. Zum Beispiel in…
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Nicht weniger als eine „Richtungswahl in Krisenzeiten“ ist die in Deutschland am 9. Juni anstehende Europawahl aus Sicht der Bundeszahnärztekammer. In einem jüngst veröffentlichten Positionspapier adressiert sie zentrale gesundheitspolitische Anliegen der deutschen Zahnärzteschaft inklusive der entsprechenden Handlungsempfehlungen. Dabei geht es nicht nur um den Erhalt und die Stärkung der Freiberuflichkeit und die Qualität der zahnmedizinischen Ausbildung angesichts des Demografiewandels und des Fachkräftemangels, sondern auch um Zentralisierungsbemühungen der EU in puncto Gesundheit im Nachgang der und als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie.
Das politische Deutschland sieht mit Spannung den im September in Sachsen, Thüringen und Brandenburg anstehenden Landtagswahlen entgegen. Sollte sich der prognostizierte Rechtsruck einstellen, könnte dies auch auf Bundesebene massive Auswirkungen auf die parlamentarische Gesetzgebung haben – im Fokus steht hier dann bei zustimmungspflichtigen Gesetzen das Abstimmungsverhalten der Länder im Bundesrat.
Ebenso schwierig könnte es auf der Ebene der Europäischen Union (EU) für die Kommission in ihrer Rolle als Gesetzesinitiator werden. Denn die meisten EU-Rechtsvorschriften werden im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens verabschiedet, bei dem das Europäische Parlament (EP) und der Rat der EU (Vertreter der 27 EU-Mitgliedstaaten) dasselbe Mitspracherecht haben. Die Kommission legt dem Parlament und dem Rat einen Legislativvorschlag vor. Beide Institutionen müssen sich auf dessen Wortlaut einigen, damit dieser Vorschlag EU-Recht wird.
Hatte die derzeitige Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen – nicht zuletzt bedingt durch exogene Faktoren wie COVID-19 oder den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine – schon teils hohe Hürden zu nehmen, so könnte sich die Situation mit der anstehenden Europawahl vom 6. bis 9. Juni – in Deutschland wird am 9. Juni gewählt – noch verschärfen, wenn vermehrt Vertreter europakritischer rechter Parteien den Einzug ins Parlament schaffen. Entsprechendes zeichnet sich laut aktuellen Wahlprognosen ab – bei damit einhergehenden, massiven Einbußen für grün-linke Parteien.
Auch die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) weist in einem jüngst veröffentlichten Positionspapier darauf hin, dass eine „Richtungswahl in Krisenzeiten“ anstehe. „Die Europäische Union steht vor vielfältigen externen und internen Herausforderungen. Die Bedeutung der Europäischen Union für den zahnärztlichen Berufsstand hat in den vergangenen fünf Jahren seit der letzten Europawahl weiter spürbar zugenommen. Bereits heute werden viele für die Zahnärzteschaft wichtige Fragen nicht mehr auf nationaler Ebene, sondern in Brüssel und Straßburg entschieden“, heißt es seitens der BZÄK.
Folgende Fraktionen sind aktuell im EP vertreten: Europäische Volkspartei (Christdemokraten, EVP) 178 Abgeordnete, Progressive Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament (S&D) 141 Abgeordnete, Renew Europe 101 Abgeordnete, Die Grünen/Freie Europäische Allianz (Grüne/EFA) 72 Abgeordnete, Europäische Konservative und Reformer (ECR) 67 Abgeordnete, Identität und Demokratie (ID) 60 Abgeordnete und Die Linke im Europäischen Parlament (GUE/NGL) 37 Abgeordnete. 49 Abgeordnete gehören keiner Fraktion an.
720 Sitze sind im kommenden EP zu vergeben, 96 davon werden allein mit Abgeordneten aus Deutschland besetzt. Letzteres unterstreicht gerade nochmals die Signifikanz des hiesigen Wahlergebnisses, da die Gesundheitspolitik in anderen EU-Mitgliedstaaten meist nicht so eine prominente Rolle spielt, wie derzeit nach Corona in Deutschland.
Sensibilisierung der gesundheitspolitischen Kandidaten im Fokus
Somit sei, wie die BZÄK im Zuge der Veröffentlichung ihres Positionspapiers betonte, eine – auch im Einklang mit der Positionierung des europäischen Dachverbandes nationaler zahnärztlicher Organisationen, dem Council of European Dentists (CED) – fraktionsübergreifende Sensibilisierung aller gesundheitspolitisch relevanten Kandidaten für das EP notwendig.
12 Kernanliegen hat die BZÄK in ihr Positionspapier aufgenommen. Im Mittelpunkt steht dabei die Sicherstellung der freien zahnärztlichen Berufsausübung im Interesse der Patientinnen und Patienten. Zudem gelte es, neue und bestehende EU-Vorgaben auf deren bürokratische Auswirkungen für Praxen zu hinterfragen. Ferner müsse die Qualität der zahnmedizinischen Ausbildung in den EU-Mitgliedstaaten, die Grundlage für die automatische Anerkennung der Abschlüsse aus anderen EU-Staaten ist, gewährleistet bleiben. Die Initiativen der EU im Bereich der Digitalisierung im Gesundheitswesen müssten zum Patientennutzen beitragen und dürften nicht die Sicherheit sensibler Gesundheitsdaten gefährden. Mit Blick auf die novellierte EU-Medizinprodukteverordnung setzt sich die BZÄK für eine Überarbeitung ein, um Praxistauglichkeit zu erreichen.
Nachfolgend die einzelnen Forderungen – nach Praxisrelevanz geordnet – im Überblick:
Die BZÄK fordert die künftigen Europaparlamentarier auf, sich für eine stärkere Entbürokratisierung einzusetzen. Denn: Um als zahnärztlicher Berufsstand erfolgreich wirtschafts- und beschäftigungspolitische Impulse setzen zu können, seien die richtigen Rahmenbedingungen notwendig. Hierzu gehöre vor allem auch der Bürokratieabbau. Gerade vergleichsweise kleine freiberufliche Einheiten wie Zahnarztpraxen seien durch bürokratische Vorgaben, zum Beispiel Melde- und Dokumentationspflichten, unverhältnismäßig stark belastet. Dadurch würden sie von ihrer eigentlichen Aufgabe – Heilung und Förderung der Gesundheit ihrer Patienten – abgehalten.
„Es ist notwendig, dass sich der europäische Gesetzgeber der (unternehmerischen) Folgen bewusst ist, die bürokratische Vorgaben – auch von europäischer Ebene – speziell für freiberufliche Einheiten haben. Die Notwendigkeit neuer Vorgaben muss stets hinterfragt werden“, so die BZÄK.
In der parlamentarischen Praxis bedeute das, dass künftig jedes neue Gesetz vor seiner Verabschiedung auf seine bürokratischen Auswirkungen für die Betroffenen hin geprüft werden solle. „Das Ergebnis dieser Prüfung soll gemeinsam mit dem jeweiligen Rechtsakt veröffentlicht werden. Ziel muss sein, die Bürokratie effektiv zu verringern. Ohne die Sicherheit der Patientinnen und Patienten vernachlässigen zu wollen, dürfen kleinere Einheiten wie zahnärztliche Praxen per se nicht mit großen Versorgungseinrichtungen wie Krankenhäusern gleichgesetzt werden. Hier ist eine Differenzierung dringend erforderlich“, lautet der Appell im Positionspapier.
Wie die BZÄK betont, habe die Freiberuflichkeit für die Zahnärztinnen und Zahnärzte in Deutschland eine herausragende Bedeutung. Die überwiegende Mehrheit von ihnen sei freiberuflich in eigenen Praxen tätig und trage Verantwortung für ihre Patienten und Mitarbeitenden. „Die freien Berufe sind in allen EU-Mitgliedstaaten ein wichtiger Wirtschafts- und Stabilitätsfaktor. Sie erwirtschaften im EU-Durchschnitt über 10 % des Bruttoinlandsprodukts“, ruft die BZÄK in Erinnerung. Gleichwohl fehlten mit Blick auf die freien Berufe auf EU-Ebene bis heute sowohl ein gemeinsames Verständnis von Freiberuflichkeit als auch ein einheitlicher Politikansatz.
Die BZÄK fordert das EP auf, sich für die Verabschiedung einer Europäischen Charta der Freien Berufe einzusetzen, die eine Standortbestimmung der Freiberuflichkeit auf europäischer Ebene vornehme. „Der europäische Gesetzgeber soll auf diese Weise künftig den Bedürfnissen der freien Berufe besser gerecht werden. Dazu zählt, dass die EU-Institutionen den Mehrwert der freien Berufe für die europäische Gesellschaft anerkennen und sicherstellen, dass diese nicht ausschließlich auf Grundlage rein marktwirtschaftlicher Kriterien beurteilt werden“, heißt es dazu.
Die BZÄK fordert das EP auf, die Diskussion über das Berufsrecht der freien Berufe weiterhin kritisch zu begleiten. Denn auf EU-Ebene finde unter Einschluss der freien Berufe eine Diskussion über die Zukunft der regulierten Berufe – zu jenen gehört die zahnärztliche Profession – statt. Übergeordnetes Ziel sei, durch den Abbau „überflüssiger“ berufsrechtlicher Regulierung neue Wachstumsimpulse zu setzen.
Diese Entwicklung manifestiere sich in verschiedenen Initiativen. Von besonderer Brisanz sei die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2018/958 über eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen. Im Fokus der EU-seitig geführten Debatte stünden zentrale Elemente des Berufsrechts der freien Berufe, wie etwa die Beteiligung Berufsfremder am Gesellschaftsvermögen oder die freiberuflichen Gebührenordnungen. Diese Diskussion falle in eine Phase des Umbruchs. Ohne expliziten Hinweis auf den Boom der seitens der Zahnärzteschaft mehr als kritisch beäugten investorengeführten Medizinischen Versorgungszentren (iMVZ) wird beklagt, dass in vielen freiberuflichen Bereichen eine zunehmende Kommerzialisierung stattfinde, die durch das Auftreten großer Finanzinvestoren beschleunigt werde. So seien in den vergangenen Jahren große europäische Dentalketten entstanden. Negative Beispiele aus Frankreich, Spanien und anderen Ländern zeigten, dass in von Finanzinvestoren betriebenen Dentalketten Therapieentscheidungen in großem Maßstab zulasten der Patienten von Renditeüberlegungen überlagert werden könnten.
An die EP-Kandidaten gerichtet, schreibt die BZÄK, sie warne davor, „dass das Hinterfragen von bewährtem Berufsrecht zu einer Aushöhlung der Qualität freiberuflicher Dienstleistungen führen und einer gefährlichen Kommerzialisierung Vorschub leisten könnte. Negative Erfahrungen mit von Finanzinvestoren betriebenen Dentalketten zeigen, dass es im Interesse der Patientinnen und Patienten gilt, die Therapie- und Entscheidungsfreiheit europaweit zu schützen! Deregulierung allein, um das Wirtschaftswachstum zu fördern, ist zu kurz gedacht und kein Maßstab an sich.“
Zu immens sei die Gefahr, dass bewährte Strukturen beruflicher Selbstverwaltung zugunsten einmaliger Beschäftigungseffekte in Frage gestellt und voreilig aufgegeben würden, ohne die Folgekosten zu kalkulieren. „Dazu gehören auch die Selbstverwaltungsstrukturen der freien Berufe. Diese werden vom Berufsstand getragen und finanziert, basieren auf demokratischen Prinzipien und entlasten mit der Erfüllung ihrer Aufgaben ganz unmittelbar die Staatsverwaltung“, so die BZÄK. Das Beispiel der dualen Ausbildung zeige, welch wichtige Aufgabe die freiberufliche Selbstverwaltung in Deutschland übernehme, indem sie im zahnärztlichen Bereich etwa die Ausbildung der zahnmedizinischen Fachangestellten koordiniere und die Qualität der Berufsabschlüsse sichere.
Hohe Qualität der zahnmedizinischen Ausbildung sichern
Bis dato müssen Zahnärzte mit einer in der EU erworbenen beruflichen Qualifikation gemäß des 2012 in Kraft getretenen Anerkennungsgesetzes diesen Studienabschluss im Zuge des Anerkennungsverfahrens nachweisen – dies führt in der Regel zur positiven Bescheidung. Voraussetzung ist, dass Ausbildungsdauer und Ausbildungsinhalte den in der Berufsanerkennungsrichtlinie (EG) 2005/36 festgelegten Mindestanforderungen entsprechen. Mit der Überarbeitung der Berufsanerkennungsrichtlinie (EU) 2013/55 hat der europäische Gesetzgeber die zahnärztliche Mindestausbildungsdauer auf eine neue Grundlage gestellt, die von der Zahnärzteschaft ausdrücklich begrüßt werde, wie die BZÄK klarstellt. Die zahnärztliche Ausbildung besteht demnach obligatorisch aus einem mindestens fünf Jahre dauernden Vollzeitstudium, das sich aus mindestens 5.000 Fachstunden theoretischer und praktischer Ausbildung zusammensetzt.
Anfang dieses Jahres jedoch habe die EU-Kommission eine Modernisierung der EU-Mindeststandards angestoßen, allerdings in einem sehr begrenzten Rahmen. Diese reiche jedoch nicht aus. Die BZÄK sieht die künftigen Parlamentarier demnach in der Pflicht, „sich dafür einzusetzen, dass die in Anhang V der Berufsanerkennungsrichtlinie festgelegten zahnmedizinischen Ausbildungsinhalte den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen grundlegend angepasst werden.“ Dies müsse in enger Kooperation mit den zahnmedizinischen Hochschulen und den zahnmedizinischen Berufsorganisationen in Europa erfolgen. Oberstes Ziel müsse sein, im Interesse der Patientensicherheit eine hohe Qualität der zahnmedizinischen Ausbildung weiterhin zu gewährleisten.
Die BZÄK sieht die Bestrebungen einiger EU-Mitgliedstaaten kritisch, angesichts des Demografiewandels und des sich bereits massiv abzeichnenden Fachkräftemangels zahnmedizinische Abschlüsse aus Drittstaaten ohne Prüfung der Mindeststandards der EU-Berufsanerkennungsrichtlinie anzuerkennen. „Eine solche Entwicklung verstößt gegen EU-Recht, ist bedenklich und untergräbt die geltenden EU-Mindeststandards“, schreibt sie dazu in ihrem Positionspapier. Sie fordert daher die künftigen Parlamentarier dazu auf, das Thema Fachkräftemangel aktiv zu begleiten. „Gleichzeitig dürfen aus grundsätzlichen Erwägungen des Patientenschutzes die in der Berufsanerkennungsrichtlinie (EG) 2005/36 festgelegten qualitätsstiftenden Mindestanforderungen keinesfalls unterlaufen werden“, mahnt sie.
Digitalisierung zum Nutzen der Patienten gestalten
Die Digitalisierung des Gesundheitswesens ist ein Schwerpunkt der EU-Gesundheitspolitik – flankiert durch EU-Initiativen, die den Einsatz Künstlicher Intelligenz regeln. „Insbesondere die Verordnung für die Schaffung eines European Health Data Space (EHDS) ist ein Meilenstein“, so die BZÄK. Via EHDS, dem EU-Gesundheitsdatenraum, sollen die nationalen Gesundheitssysteme auf Grundlage interoperabler Austauschformate miteinander digital verbunden und Gesundheitsdaten EU-weit für die primäre wie auch sekundäre Nutzung verknüpft werden, was sowohl der erleichterten, grenzüberschreitenden Behandlung als auch der – mit Einwilligung der betroffenen Patienten – Forschung mit Daten aus dem Behandlungsalltag dienen soll. Wie die BZÄK hinweist, sei die Digitalisierung im Gesundheitswesen aber auch mit gesellschaftlichen Herausforderungen verbunden, die die gewachsenen Prozesse im Gesundheitswesen und seine Strukturen nachhaltig verändern würden.
Daher fordert sie das EP auf, die Digitalisierung im Gesundheitswesen im Rahmen der bestehenden Kompetenzen der EU zum Nutzen der Patienten zu gestalten. „Die Digitalisierung sollte zu einer verbesserten und bürokratiearmen Versorgung führen. Sie darf nicht dazu genutzt werden, die Solidarität im Gesundheitssystem zu gefährden und die freiberufliche Berufsausübung einzuschränken. Die in Deutschland geltenden hohen Standards zum Schutz der Privatsphäre – auch und gerade im Rahmen der zahnärztlichen Behandlung und des Zahnarzt-Patienten-Verhältnisses – dürfen nicht geschmälert werden“, lautet das Postulat. Insbesondere dürften Gesundheitsdaten nicht zur kommerziellen Ware werden. Der Prozess einer sicheren Vernetzung und Digitalisierung der Praxisabläufe müsse dabei auch für kleinere niedergelassene Praxen bewältigbar bleiben, heißt es ergänzend im Positionspapier.
Im Zuge der 2017 in Kraft getretenen, novellierten EU-Medizinprodukteverordnung ((EU) 2017/745; Medical Device Regulation/MDR) haben sich die regulatorischen Anforderungen an Hersteller zur Marktzulassung ihrer Medizinprodukte – auch der Bestandsprodukte im Markt – wesentlich verschärft. Die höheren Hürden sind mit teils sehr hohen Kosten verbunden und haben schon zu Sortimentsbereinigungen und Engpässen geführt, die nicht im Sinne der Patienten sind – vor allem nicht in Nischenbereichen. Die MDR hat sich somit als nicht alltagstauglich erwiesen. Bereits 2021 und 2023 mussten Übergangsfristen wesentlicher Teile der MDR großzügig verlängert werden. Der MDR-Implementierungsprozess zeige, so die BZÄK, dass enorme praktische Probleme, insbesondere bei der Tätigkeit der für die Zulassung zuständigen Benannten Stellen bestünden. Dieser Zustand gefährde die qualitativ hochwertige Versorgung und Sicherheit der Patienten. Die BZÄK sieht daher das EP in der Pflicht, „sich gegenüber der EU-Kommission für eine rasche grundlegende Revision des EU-Rechtsrahmens für Medizinprodukte einzusetzen. So gilt es vor allem, dentale Nischenprodukte zu erhalten und die Belastungen für kleine und mittlere Hersteller von Medizinprodukten zu minimieren.“
Via Patientenrichtlinie können EU-Bürger ambulante medizinische Dienstleistungen grenzüberschreitend in anderen EU-Mitgliedstaaten jederzeit in Anspruch nehmen, ohne sich die vorherige Genehmigung ihrer Krankenkasse einholen zu müssen. Die Kostenübernahme erfolgt nach den Tarifen und Vorschriften, die im Heimatland des jeweiligen Patienten gelten. Für Krankenhausbehandlungen und hoch spezialisierte Behandlungen ist weiterhin die vorherige Genehmigung durch die Krankenkasse notwendig. Zahlen der EU-Kommission zeigen jedoch, dass der Anteil der im EU-Ausland erbrachten Gesundheitsdienstleistungen seit Jahren auf einem sehr niedrigen Niveau verharrt.
Die BZÄK fordert daher das EP auf, sicherzustellen, dass jeder EU-Bürger in allen Mitgliedstaaten freien Zugang zu zahnmedizinischer Versorgung hat. „Genehmigungsvorbehalte nationaler Gesundheitssysteme lehnt die BZÄK im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und der Patientenrechte-Richtlinie ab. Jeder Bürger und jede Bürgerin Europas muss frei und unabhängig am medizinischen Fortschritt der Zahnmedizin Anteil haben können, trägt dabei aber auch selbst Verantwortung für den Erhalt oder die Wiederherstellung seiner oder ihrer Zahngesundheit“, heißt es dazu im Positionspapier.
Die EU-Mitgliedstaaten haben 2023 eine Intensivierung der EU-Maßnahmen zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen im Rahmen des Konzepts „Eine Gesundheit“ (One Health) angemahnt und entsprechende Empfehlungen vorgelegt. Gemeinsam mit dem CED unterstütze die BZÄK diese Maßnahmen ausdrücklich und beteilige sich daran aktiv. Sie rufe die Angehörigen der zahnmedizinischen Heilberufe auf, alles in ihren Kräften Stehende zu tun, um die Übertragung resistenter Bakterien in der zahnärztlichen Versorgung durch effektive Infektionskontrolle und Präventionsmaßnahmen zu verhindern.
Die BZÄK empfiehlt dem EP nachdrücklich, den von der EU bereits eingeschlagenen Weg zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen konsequent fortzusetzen. Dabei sei ein Ansatz zu wählen, der alle Bereiche der Antibiotika-Nutzung erfasse, sowohl in der Human- als auch in der Veterinärmedizin. „Aus Sicht des BZÄK kommt dem zahnärztlichen Berufsstand aufgrund des regelmäßigen Patientenkontakts bei der Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Thematik eine besondere Rolle zu“, schreibt sie dazu im Positionspapier.
Die zahnmedizinische Prävention führe zu einer signifikanten Verbesserung der Mundgesundheit und auf diese Weise, neben Kosteneinsparungen, zu einer erheblichen Verbesserung der Lebensqualität mit positiven Auswirkungen auf die Allgemeingesundheit, so die BZÄK. Das EP sieht sie in der Pflicht, einen Anstoß für europäische Initiativen zur Verbesserung der Mundgesundheit einschließlich der zahnmedizinischen Prävention zu geben. Diese müssten das Ziel verfolgen, die Lebensqualität durch eine Verbesserung der Mundgesundheit zu erhöhen. Der „Globale Aktionsplan für Mundgesundheit (Global Oral Health Action Plan 2023–2030)“ der WHO könne hierfür als Grundlage dienen.
Bessere Pandemievorsorge und stärkere Krisenresilienz
Die COVID-19-Pandemie habe schlagartig die Abhängigkeit der EU von Importen bei bestimmten Arzneimitteln und Schutzausrüstungen gezeigt. Die Nichtverfügbarkeit wesentlicher Bestandteile und Grundstoffe für viele Arzneimittel sowie persönlicher Schutzausrüstung gefährde unter anderem die Patientensicherheit sowie (zahn-)medizinisches Personal massiv. Die EU müsse sich hier für die Zukunft besser aufstellen, moniert die BZÄK.
Mittel zum Zweck müssten EU-Maßnahmen sein, die zu einer Wiederansiedlung der Produktion dieser für die Versorgung der Bevölkerung und für die Heilberufe wichtigen Arzneimittel und Schutzausrüstung in Europa führten. „Die Widerstandsfähigkeit der EU in diesem kritischen Bereich muss, auch nach Ende der COVID-19-Pandemie, gestärkt und nachhaltig verbessert werden“, mahnt die BZÄK in ihrem Positionspapier.
In Reaktion auf die COVID-19-Pandemie hat die EU unter dem Schlagwort „Schaffung einer europäischen Gesundheitsunion“ eine Reihe wichtiger Gesetzgebungsverfahren auf den Weg gebracht, um künftig besser auf grenzüberschreitende Gesundheitsgefahren reagieren zu können. Gleichzeitig wird aus Sicht der BZÄK der Begriff „Gesundheitsunion“ im politischen Diskurs genutzt, um damit eine Übertragung von mehr gesundheitspolitischen Kompetenzen von der nationalen auf die EU-Ebene zu beschreiben. Deutlich werde dies an den Ergebnissen der 2022 beendeten Konferenz zur Zukunft Europas, die als eine Blaupause für künftige Änderungen der EU-Verträge gesehen werden müssten. Gefordert werde beispielsweise die Festlegung gemeinsamer EU-Mindeststandards für die Gesundheitsversorgung. Die BZÄK-Position dazu: „Eine Differenzierung ist jedoch notwendig. Die gemeinsame Bekämpfung grenzüberschreitender Gefahren ist wichtig, während eine EU-Harmonisierung der nationalen Gesundheitssysteme abzulehnen ist.“
Konsequenterweise fordert die BZÄK die künftigen EU-Parlamentarier auf, die im Rahmen der COVID-19-Pandemie begonnene Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten zur Abwehr grenzüberschreitender Gesundheitsgefahren weiter zu unterstützen. Sie bemängele jedoch die Wortwahl „Gesundheitsunion“, „die falsche Erwartungen in Richtung einer wachsenden Harmonisierung der nationalen Gesundheitssysteme weckt. Eine mögliche Änderung der EU-Verträge im Bereich Gesundheit sieht die BZÄK kritisch, da die Gesundheitswesen der EU-Mitgliedstaaten höchst unterschiedlich ausgestaltet und daher nur sehr bedingt vergleichbar sind. Die Zuständigkeit der EU-Mitgliedstaaten für ihre Gesundheitssysteme muss gewahrt bleiben“, lautet die deutliche Forderung .
Mit ihrem individuellen Votum können also auch Vertreter der deutschen Zahnärzteschaft die künftige Entwicklung in der EU mit beeinflussen. „Die politischen Parteien werden in den kommenden Wochen ihre Wahlprogramme für die Europawahlen verabschieden. Für die Angehörigen der Heilberufe wird sich eine genaue Analyse der jeweiligen gesundheitspolitischen Forderungen lohnen, um die eigene Wahlentscheidung zu treffen“, schreibt dazu Dr. Alfred Büttner in einem Beitrag für das Zahnärzteblatt Baden-Württemberg. Büttner ist als Leiter der Abteilung Europa/Internationales der BZÄK vor Ort in Brüssel ansässig.
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