KZBV: Beschlüsse der VV befeuern Debatte um GVSG und ausufernde Bürokratie

Bisher beißt die KZBV mit ihren Anliegen beim Bundesgesundheitsministerium mit Karl Lauterbach an der Spitze oftmals auf Granit, was ihre Forderung im Dienste der Vertragszahnärzteschaft angeht. Nun hat die Vertreterversammlung noch einmal nachgelegt. In ihren Beschlüssen adressiert sie nicht nur die Dauerbaustellen GVSG und gematik samt Telematikinfrastruktur, sondern warnt auch an anderen Stellen vor einem zeitraubenden und teuren Bürokratieaufwuchs.

Die Vertreterversammlung (VV) der Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) hat bei ihrer Sitzung Anfang Juni in Frankfurt eine Reihe von Beschlüssen gefasst. Diese adressieren vor allem das sich noch im parlamentarischen Verfahren befindliche Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG), aber auch das bereits in Kraft getretene Digitalgesetz (DigiG), Belange der vertragszahnärztlichen Berufsausübung sowie Barrieren für junge Vertragszahnärztinnen und Vertragszahnärzte, die sich potenziell in eigener Praxis niederlassen wollen. Die wichtigsten Beschlüsse im Überblick:

Gesundheitspolitische Neujustierung

Die KZBV-VV fordert die Bundesregierung in einem Beschluss auf, „einen Kurswechsel in ihrer Gesundheitspolitik einzuleiten, die Krise in der zahnärztlichen Versorgung zu stoppen und wieder zu einer Politik zurückzukehren, die eine präventionsorientierte zahnmedizinische Versorgung ermöglicht, die die Niederlassung von Zahnärztinnen und Zahnärzten in eigener Praxis fördert und die Sicherstellung einer wohnortnahen und flächendeckenden Versorgung gewährleistet.“ Die Politik müsse sich endlich wieder zu ihrer Mitverantwortung für die Aufrechterhaltung der zahnmedizinischen Versorgung bekennen und entsprechend handeln, fordert die Vertragszahnärzteschaft. Als maßgebliches Gesetzgebungsverfahren für den ambulanten Versorgungsbereich biete das GVSG die letzte Chance, drängende Punkte noch in der laufenden Legislaturperiode des Bundestages aufzugreifen. „Die Vertreterversammlung ruft den Gesetzgeber daher zum Handeln im Rahmen des GVSG auf“, heißt es.

GVSG

Hier subsumiert die VV prominente Themen, mit denen sie über die vergangenen Monate schon mehrfach – bisher allerdings ergebnislos – öffentlichkeitswirksam das Bundesgesundheitsministerium (BMG) und hier vor allem mit Minister Karl Lauterbach die Ressort-Spitze adressierte.

So weist die VV in einem Beschluss darauf hin, dass die mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) eingeführte strikte Budgetierung die zahnmedizinische Versorgung massiv erschwere – mit besonders gravierenden Auswirkungen auf die Parodontitisversorgung. Unmittelbar Leidtragende seien die Patientinnen und Patienten. „Mit großer Sorge sehen wir, dass politisches (Nicht-)Handeln dazu führt, die erreichten Erfolge bei der Mundgesundheit zu verspielen, indem eine präventionsorientierte zahnärztliche Patientenversorgung unmöglich gemacht wird.“

Konkret will die KZBV die Herausnahme der PAR-Leistungen aus der Regelungswirkung des § 85 Abs. 3a SGB V für das Jahr 2024 erreichen. Die Problematik stellt sich dergestalt dar, dass die Leistungen der erst im Juli 2021 eingeführten neuen PAR-Behandlung im kassenzahnärztlichen Versorgungsalltag durch die aktuellen Rahmenbedingungen unter keinen Umständen mehr erbracht werden könnten. Schuld sei die der Vertragszahnärzteschaft via GKV-FinStG oktroyierte Honorardeckelung. Hier liege unter anderem auch eine BMG-seitig initiierte Evaluation vor, die die KZBV-seitige Argumentation stütze.

Eine weitere die vertragszahnärztliche Versorgung betreffende Großbaustelle sind aus Sicht der VV die investorengeführten Medizinischen Versorgungszentren (iMVZ), die auch Lauterbach nach eigenem Bekunden ein Dorn im Auge sein sollen. „Mit dem bisher vorliegenden Gesetzentwurf zum GVSG bleiben dringende versorgungspolitische Probleme jedoch weiterhin ungelöst. So bleibt z. B. die dringend notwendige Regulierung im Bereich der iMVZ trotz mehrfacher Ankündigungen bis dato aus“, tut die VV ihrem Ärger kund.

Interoperabilität nicht zu Lasten der Vertragszahnärzte

Die VV beteuert, grundsätzlich eine stärkere Interoperabilität (IOP) im Gesundheitswesen zu unterstützen. Die mit dem DigiG zu diesem Zweck neu vorgesehenen IOP-Zertifizierungsvorgaben und -Verfahren führten allerdings, was bereits jetzt deutlich absehbar sei, zu einem kaum realistisch umsetzbaren Zeitdruck für die ab dem 01.01.2025 notwendigen IOP-Zertifizierungen der PVS-Systeme und belegten zu allem Überfluss die Vertragszahnärztinnen und -zahnärzte ab dem Jahreswechsel über die ab dann geltende Fassung des § 372 Abs. 3 SGB V mit einem völlig unverhältnismäßigen Abrechnungsverbot, wenn sie ab diesem Zeitpunkt kein IOP-zertifiziertes PVS-System für die Leistungsabrechnung einsetzten bzw. einsetzen könnten.

Daher fordere sie das BMG und den Gesetzgeber „mit Nachdruck dazu auf, die gesetzlichen Regelungen, insb. den ab 01.01.2025 geltenden § 372 Abs. 3 SGB V, zeitnah so zu ändern, dass die Zahnärztinnen und Zahnärzte nicht – und schon gar nicht mit einem extrem schwerwiegenden Abrechnungsverbot – sanktioniert werden, wenn sie unverschuldet nicht über eine IOP-zertifizierte PVS-Software verfügen. Vergleichbares gilt für die bußgeldbewehrte Pflicht nach § 386 SGB V, Gesundheitsdaten an die Versicherten im jeweils gültigen interoperablen Format herauszugeben.“

Schluss mit Sanktionen und Berichtspflichten

In einem weiteren Beschluss fordert die VV das BMG auf, „die im Sozialgesetzbuch verankerten Instrumente zur vermeintlichen Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens aufzugeben. Sanktionen und Berichtspflichten sind nicht geeignet, die Digitalisierung voranzutreiben.“

Damit adressiert sie die im SGB V mit Inkrafttreten des DigiG verankerten, neuen Sanktionen und Berichtspflichten – unter anderem für die neue elektronische Patientenakte (Opt-out-ePA) und das elektronische Rezept (E-Rezept). Diese Instrumente sorgten nur für mehr Bürokratie in den Praxen, hätten aber keinen Nutzen für die Digitalisierung, weil sie rückwärtsgewandt seien und keine positiven Anreize schüfen.

„Statt daran festzuhalten und die Zahnarztpraxen weiter zu gängeln, muss das BMG gesetzliche Rahmenbedingungen schaffen, in denen die Praxistauglichkeit der TI-Anwendungen im Mittelpunkt steht. Nutzenorientierung und Mehrwert für die Versorgung müssen dabei der Maßstab sein. Die Politik muss endlich erkennen, dass neben dem Nutzen für die Anwenderinnen und Anwender ausschließlich die Qualität der Produkte und Systeme und nicht die überhastete Einführung zum Gelingen von Digitalisierung beiträgt“, schreibt die VV in ihrer Beschlussbegründung.

Das BMG müsse dafür sorgen, dass die Praxistauglichkeit der TI-Anwendungen und -Dienste nachgewiesen sei, bevor diese eingeführt werden. Wenn die Produkte und Systeme ausgereift seien, könnten sie den Praxisalltag leichter machen. Zwangsmaßnahmen wie Sanktionen und Berichtspflichten sorgten stattdessen nur für zusätzliche Belastungen und Misstrauen in der Vertragszahnärzteschaft.

Einführung einer Bagatellgrenze im Rahmen der sachlich-rechnerischen Richtigstellung vertragszahnärztlicher Abrechnungen

In einem anderen Beschluss reagiert die VV auf den Umstand, dass Krankenkassen immer mehr Anträge auf eine sachlich-rechnerische Richtigstellung der Abrechnungen unter Einsatz von IT-gestützten Verfahren auf Grundlage vorgegebener Algorithmen stellten. Diese Anträge beträfen eine Vielzahl von Fällen mit geringen potenziellen Berichtigungsbeträgen. Hierdurch entstünden für die vertragszahnärztlichen Praxen durch die Stellungnahmeverfahren erhebliche Belastungen. Manche Praxen akzeptierten sogar Kürzungen aufgrund der Geringfügigkeit der Beträge, um sich den mit einer Stellungnahme an die KZVen verbundenen Aufwand zu sparen, moniert die VV.

Daher wird der KZBV-Vorstand beauftragt, den Gesetzgeber aufzufordern, auch für den Bereich der sachlich-rechnerischen Prüfungen nach § 106d SGB V eine Bagatellgrenze auf gesetzlicher Ebene einzuführen. „Soweit im Rahmen von § 106a SGB V einzelne Behandlungsfälle der Wirtschaftlichkeitsprüfung betrachtet werden, soll die Bagatellgrenze entsprechend gelten“, so der Beschluss.

Gematik muss verantwortlich sein und handeln

Mit Blick auf die immer wieder vorkommenden, den Praxisteams zeitraubenden Ausfälle im TI-Betrieb – Beeinträchtigungen bei den Vertrauensdiensteanbietern, Einschränkungen beim Versichertenstammdatenmanagement oder Probleme bei den sektoralen Identity Providern der Krankenkassen – fordert die VV in einem Beschluss das BMG auf, die Grundlage dafür zu schaffen, dass die gematik die zentrale Betriebsverantwortung für die Dienste und Anwendungen der TI übernimmt.

Knackpunkt der gegenwärtigen Konstruktion laut KZBV: „Weil die Anbieter dieser Leistungen keine direkt beauftragten Dienstleister der gematik sind, tragen diese die operative Verantwortung für einen sicheren und stabilen Betrieb ihrer Dienste alleine. Wirksam entgegenwirken kann die gematik derartigen Ausfällen nicht. Diese Verteilung von Aufgaben und Zuständigkeiten ist nicht geeignet, betriebliche Unterbrechungen der TI zeitnah zu beheben. Sie ignoriert, wie eng und sensibel die Dienste, Komponenten und Anwendungen der TI mittlerweile miteinander und mit der Praxis-IT verwoben sind.“ Ergo solle das BMG die gematik, an der es seit Lauterbachs Vorgänger im Amt, Jens Spahn (CDU), die Mehrheit hält, in die Lage versetzen, dass die IT-Lösungen der Industrie konsequenter zertifiziert und bestehende Zulassungen kontinuierlich mit der Stabilität der Produkte und Systeme im Feld abgeglichen werden sowie die Praxen und Apotheken in der gematik einen zentralen Ansprech- und Servicepartner zur Seite gestellt bekommen, der verantwortlich ist und handelt.

Keine zusätzlichen Haftungsrisiken durch die Hintertür

Entsprechend der KZBV-Prämisse, dass infolge der Digitalisierung des Gesundheitswesens und der TI-Weiterentwicklung Patientendaten zu jeder Zeit geschützt sein müssten und Zahnarztpraxen selbst nicht haftbar gemacht werden dürften, wenn die gesetzliche vorgegebene TI-Sicherheitsarchitektur bei bestimmungsgemäßer Nutzung keinen ausreichenden Schutz biete, greift die VV in einem separaten Beschluss die wiederum an das BMG gerichtete Forderung auf, „gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen, mit denen die einseitige Verlagerung von Verantwortung und Haftungsrisiken im Rahmen der bestimmungsgemäßen Nutzung von Anwendungen und Diensten der TI auf die Zahnarztpraxen verlässlich ausgeschlossen werden können.“

Stein des Anstoßes ist in diesem Falle die Tatsache, dass mit der Einführung des Card-Link-Verfahrens ein neuer Einlöseweg für das E-Rezept bereitgestellt wurde, mittels dessen die Versicherten ihre E-Rezepte via Apps von Drittanbietern einlösen können. Anders als bei den bestehenden Einlösewegen, die hohen Sicherheitsanforderungen durch die gematik unterliegen und deren Einhaltung durch eine Zulassung nachweisen müssen, müssen diese Apps nicht zugelassen werden. Die Verantwortung für die Nutzung wurde damit, moniert die KZBV, auf die Apotheken und Versicherten verlagert, die jedoch nicht bewerten könnten, ob die Apps der Drittanbieter sicher sind. „Das BMG muss nunmehr endlich sicherstellen, dass den Praxen, Apotheken und Versicherten infolge der Digitalisierung und vor allem im Rahmen der Einführung neuer TI-Anwendungen keine neuen Haftungsrisiken aufgebürdet werden. Um Unsicherheiten für die Anwender der TI zu reduzieren, ist ein entsprechender gesetzlicher Rahmen durch das BMG zu schaffen. Mit Hilfe klarer Vorgaben, zum Beispiel geeigneter Zertifizierungsverfahren oder einer ausdrücklichen rechtlichen Klarstellung im Sozialgesetzbuch, muss das Haftungsrisiko für alle, welche die Produkte und Dienste der TI bestimmungsgemäß nutzen, sicher ausgeschlossen werden“, stellt die VV ihre Positon dazu klar.

Neustart der ePA erst bei Praxistauglichkeit

Um weiteres, wahrscheinliches Hickhack unter anderem in den Praxen zu vermeiden, nimmt die VV das BMG in puncto „ePA für Alle“ (Opt-out-ePA) in die Pflicht, den geplanten Starttermin – am 15. Januar 2025 soll es offiziell losgehen – bis zu dem Zeitpunkt zu verschieben, an dem die Anwendungsreife, beispielsweise durch den Betrieb in den beiden TI-Modellregionen Hamburg und Franken, nachgewiesen werden konnte und ein spürbarer Mehrwert für die Patientenversorgung gegeben sei.

In der Testphase seien somit, so die VV, in erster Linie die technischen und organisatorischen Auswirkungen auf die Abläufe in den Zahnarztpraxen zu prüfen. Vor der flächendeckenden Einführung der neuen ePA müsse gewährleistet sein, dass die Praxisverwaltungssysteme  technisch ausgereift und in der Lage sind, die Bedienung der ePA im Sinne einer guten User Experience dergestalt zu unterstützen, dass die Nutzung den Praxisalltag leichter macht und nicht zu einer Mehrbelastung führt. Die Erkenntnisse müssten dann in die Spezifikation der gematik einfließen und erforderliche Änderungen in allen Systemen umgesetzt werden, bevor die ePA allen Bürgern bereitgestellt werde. Außerdem müssten in der Testphase die rechtlichen Folgen der Einführung der neuen ePA evaluiert werden, so die VV. Dies betreffe vor allem die Befüllungspflichten der Zahnarztpraxen, aber auch die Ansprüche der Versicherten.

Warnung vor „gläsernem“ Gesundheitssystem

Im Gegensatz zu der vor allem in der Pharmaindustrie begrüßten Verabschiedung des Gesundheitsdatennutzungsgesetzes (GDNG), das Patienten bei deren ausrücklicher Zustimmung die Spende ihrer auch in der ePA oder den PVS gespeicherten Behandlungsdaten an das Forschungsdatenzentrum (FDZ) zur Nutzung auch im kommerziellen medizinischen Forschungsumfeld erlaubt, warnt die VV in einem Beschluss vor einer allzu großen Datensammelwut. Grundsätzlich unterstütze die KZBV zwar das Ziel, große Mengen von Gesundheitsdaten in anonymisierter Form zu Forschungszwecken und zur Nutzung der Möglichkeiten Künstlicher Intelligenz (KI) einzusetzen.

„Jedoch dürfen große Datensammlungen nicht zu einem ‚gläsernen‘ Gesundheitswesen führen, in welchem die Persönlichkeitsrechte von Patientinnen und Patienten und Leistungserbringern missachtet werden, und insbesondere auch nicht dazu, dass die Krankenkassen neue, zusätzliche Datenauswertungsmöglichkeiten erhalten, die die bisher ausgewogenen Zuständigkeitsverteilungen zwischen Leistungserbringerorganisationen und Krankenkassen grundlos in Richtung Krankenkassen verschieben und von einem unbegründeten Misstrauen und Generalverdacht gegenüber den Leistungserbringern ausgehen“, steht es im Beschluss.

Die KZBV moniert mit Blick auf die Kassenseite, dass dieser gesetzlich nicht explizit untersagt worden sei, die vertragszahnärztlichen Abrechnungsdaten zur Weiterleitung (über den GKV-SV) an das FDZ nicht ihrerseits unter Konterkarierung der Zuständigkeitsverteilungen für die Abrechnungsprüfung auswerten zu dürfen – es fehle auch die gesetzlich verankerte Pflcht, diese Daten nach erfolgter Weiterleitung zu löschen. „Der GKV-SV wiederum erhält zum Zwecke der Weiterleitung an das FDZ anders als bisher sämtliche Abrechnungsdaten und für diese sogar eine ausdrückliche Auswertungsbefugnis im Auftrag des BMG“, so die VV.

Des Weiteren ermächtige das GDNG die Kassen, ohne Einwilligung der Patienten deren sensible Gesundheitsdaten zu bestimmten Zwecken auszuwerten, um die Patienten auf potenzielle Gesundheitsgefahren hinzuweisen – „mit hohem Verunsicherungspotenzial und ohne (zahn)ärztliche Expertise“, wie die KZBV moniert.

Keine Prüfrechte für den Bundesrechnungshof

Via GVSG versucht das BMG offenbar, dem Bundesrechnungshof (BRH) ein Prüfrecht gegenüber den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen (KZVen) und der KZBV einzuräumen. Eine Ausweitung der BRH-Prüfzuständigkeit würde, so die VV in ihrem entsprechenden Beschluss, „ein echtes ‚Bürokratiemonster‘ schaffen, das einzig Doppel- und Parallelstrukturen verursachen würde.“ Die VV fordert das BMG daher auf, die geplanten Regelungen ersatzlos zu streichen. Als Begründung führt sie unter anderem an, die Prüfzuständigkeit des BRH setze gemäß Art. 114 Abs. 2 GG die Verfügung über Bundesmittel voraus. KZBV und KZVen erhielten jedoch – anders als die Krankenkassen – keine Bundeszuschüsse, wie zwei Rechtsgutachten belegten. Und: Die gegebenenfalls auch aus Bundeszuschüssen an die Krankenkassen gespeisten vertragszahnärztlichen Gesamtvergütungen dienten nicht der Finanzierung der KZVen und der KZBV, sondern einzig der Vergütung vertragszahnärztlicher Leistungen.

Zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Wirtschaftsführung und zur Vermeidung finanzieller Risiken verfügten KZBV und KZVen darüber hinaus bereits über sehr umfangreiche interne Kontrollsysteme und absolvierten weitere turnusmäßige Prüfungen, wie Wirtschafts- und Betriebsprüfungen, die bereits jetzt einen erheblichen Bürokratieaufwand und hohe Kosten verursachten, so die VV ergänzend.

Barrieren in Praxen abbauen ja, aber mit Augenmaß und ohne Zwang

In einem weiteren Beschluss adressiert die VV die Barrierefreiheit in Vertragszahnarztpraxen. Die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) ist nach dem Beitritt Deutschlands seit 2009 in Kraft und verpflichtet die Praxischefs, in ihren Einrichtungen Patientengruppen mit mentalen oder physischen Beeinträchtigungen den barrierefreien Zugang zur Versorgung zu ermöglichen. Die VV „appelliert an das BMG und den Gesetzgeber, im Rahmen des Aktionsplans für ein diverses, inklusives und barrierefreies Gesundheitswesen keine Maßnahmen vorzusehen, mit denen die Verbesserung des barrierearmen Zugangs zu Zahnarztpraxen und zu (zahn)medizinischen Leistungen mit zwingenden gesetzlichen Vorgaben, Verpflichtungen und ggf. Sanktionen insb. für die Praxen durchgesetzt werden sollen. Vielmehr müssen positive Anreize zur freiwilligen Verbesserung des barrierearmen Zugangs zu Zahnarztpraxen gesetzt und die Praxisinhaberinnen und -inhaber hierbei, z. B. durch finanzielle Zuschüsse, unterstützt werden“, so die VV.

Die KZBV, so führt die VV in ihrer Begründung aus, unterstütze die grundlegende Zielsetzung des Aktionsplans. Ausfluss dessen sei, dass die KZBV bzw. die Zahnärzteschaft bereits seit Jahren zahlreiche Maßnahmen in dieser Hinsicht ergriffen hätten beispielsweise in Form des KZBV-Konzepts „Mundgesundheit trotz Handicaps und hohem Alter“, des KZBV-Strategiepapiers „Mundgesundheitskompetenz“, eines virtuellen Rundgangs durch eine barrierearme Musterpraxis mit konkreten Hinweisen zur Verbesserung des barrierearmen Zugangs, sowie Broschüren mit Patienteninformationen der KZBV in mehreren gängigen Fremdsprachen. KZVen und Kammern unterstützten Patientinnen und Patienten bei der Suche nach für ihre spezifischen Bedürfnisse geeigneten barrierearmen Praxen. Der Maßnahmenkatalog der KZBV werde auch für die Zukunft – derzeit exemplarisch im Rahmen eines hierzu einberufenen „Runden Tisches“ – zielgerichtet weiterentwickelt.

Das BRK-Ziel müsse allerdings mit dem notwendigen Augenmaß verfolgt werden und dürfe keinesfalls mit überbordenden, verpflichtenden Belastungen für die Leistungserbringer und Körperschaften einhergehen. Daher lehne die VV jegliche Maßnahmen ab, mit denen die Verbesserung des barrierearmen Zugangs mit zwingenden gesetzlichen Vorgaben, Verpflichtungen und eventuell auch Sanktionen insbesondere für die Praxen durchgesetzt werden sollten. Zwang erhöhe auch hier nicht die Akzeptanz für Maßnahmen zum Barriereabbau, sondern fördere deren Ablehnung und schaffe gegen sie gerichteten Widerstand.

Vielmehr sollten durch den Aktionsplan positive Anreize zur freiwilligen Verbesserung eines barrierearmen Zugangs zu Zahnarztpraxen gesetzt und die Praxisinhaberinnen und Praxisinhaber hierbei durch Fördermaßnahmen wie zum Beispiel finanzielle Zuschüsse unterstützt werden. Dazu stellt die VV klar: „In der Regel fehlt es den Praxisinhaberinnen und -inhabern nicht am Willen zum Abbau von Barrieren, sondern an der Realisierbarkeit, da insbesondere die Verbesserung des barrierearmen Zugangs zu Praxen mit zumeist sehr aufwändigen baulichen oder technischen Veränderungen verbunden ist, die für die Praxen oder ggf. die Vermieter der Praxisräume sehr kostenintensiv sind. Entsprechende Investitionen müssen daher mit hinreichenden Fördermitteln oder Refinanzierungsmaßnahmen gezielt ermöglicht werden.“

Wiedereinführung von Zulassungsbeschränkungen

Die VV nutzt einen separaten Beschluss, um vor der Wiedereinführung von Zulassungsbeschränkungen im vertragszahnärztlichen Bereich (Bedarfszulassung) zu warnen. Diese lehne sie entschieden ab. „Zulassungsbeschränkungen sind weder erforderlich noch ein geeignetes Instrument, um etwaige Versorgungsengpässe beseitigen zu können“, so die KZBV-Position.

Anlass für die Besorgnis ist eine Rede vor dem Landtag von Sachsen-Anhalt vom 23. Februar 2024, in der die Landesgesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) die Prüfung einer Bundesratsinitiative zur Wiedereinführung von Zulassungsbeschränkungen in der vertragszahnärztlichen Versorgung angekündigt hat. Perspektivische Versorgungsengpässe resultierten vornehmlich daraus, dass – bei insgesamt stabilen Absolventenzahlen – die Niederlassungsbereitschaft aufgrund fehlender Planungssicherheit, überbordender Bürokratielasten und einer praxisfernen Digitalisierung sinke, ordnet die KZBV dies für sich ein. Und warnt: „In Verbindung mit dem bevorstehenden Ausscheiden älterer Niedergelassener der geburtenstarken Jahrgänge führt dies dazu, dass mehr Zahnärztinnen und Zahnärzte aus der Niederlassung ausscheiden als neu in die Niederlassung eintreten. Eine Bedarfszulassung kann hierfür keine Lösungen liefern.“

Versorgungsdefizite bestünden im vertragszahnärztlichen Bereich bei einem insgesamt nach wie vor hohen Versorgungsniveau bundesweit betrachtet aktuell vornehmlich allenfalls in lokal begrenzter Weise unterhalb der Planungsbereichsebene. Auf Planungsbereichsebene hingegen drohten allenfalls vereinzelt und vornehmlich perspektivisch signifikantere Versorgungsengpässe. Die Sperrung von Planungsbereichen sei daher kein adäquates Steuerungsmittel. Auch setze das Instrument der Bedarfszulassung eine „Ärzteschwemme“ voraus, die es zu steuern gelte. Davon könne zur Zeit keine Rede sein. Stellschrauben, an denen sinnvollerweise eher gedreht werden sollte, seien insbesondere die hohen Bürokratielasten, die unausgereifte und praxisferne Digitalisierung und die durch strikte Budgetierung verursachte schlechte wirtschaftliche Planungssicherheit.

Die weitere Gesetzgebung wird zeigen, inwieweit die VV 2025 Beschlüsse auf Wiedervorlage legen und einer Aktualisierung unterziehen muss. Noch hat die verfasste Zahnärzteschaft die Chance, dass im parlamentarischen Verfahren Lauterbach in puncto GVSG noch der eine oder andere Zahn gezogen wird. 

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