Praxismanagement
Nun hat auch das höchste deutsche Sozialgericht bestätigt, dass den Patienten Probleme beim Versand der eAU von der Praxis zur Kasse nicht anzulasten sind.
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Insuffiziente Praxissoftware, ruckelnde Telematikinfrastruktur: Im Interview erläutern Dr. Sibylle Steiner und Dr. Philipp Stachwitz, welche Lösungen die KBV bereithält, um die digitalen Probleme der Versorgung zu lösen.
Ein Interview von Hauke Gerlof und Rebekka Höhl
Herr Dr. Stachwitz, Sie mischen seit 20 Jahren in verschiedenen Funktionen bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens mit, jetzt bei der KBV als Leiter der gleichnamigen Stabsstelle. Sind Sie vielleicht die Ursache für den schleppenden Verlauf der Digitalisierung in Deutschland ?
Stachwitz: (lacht) Das habe ich auch schon überlegt. Aber ich behaupte mal, nein!
Ernst gefragt, Sie waren immer relativ nahe dran an den Prozessen: Worin liegt die tiefere Ursache für die Verspätung, die Deutschland bei der Digitalisierung hat? Ansätze waren ja durchaus vorhanden …
Stachwitz: Das deutsche Gesundheitswesen ist da leider in schlechter Gesellschaft, auch in anderen Bereichen kommen wir nicht so gut voran, wie wir sollten. Das machen andere Länder einfach besser. Eine Schwierigkeit ist sicher der Föderalismus mit seinem Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen in den Bundesländern. Und aufs Gesundheitswesen bezogen: Für die Selbstverwaltung ist es einfach eine große Herausforderung, Digitalisierung wirklich gemeinsam umzusetzen.
Nun gibt es ja die neue Stabsstelle Digitalisierung bei der KBV. Frau Steiner, welche Pläne haben Sie mit dieser – und mit Herrn Stachwitz als Leitung?
Steiner: Uns war es wichtig, bei der Digitalisierung weg von der technikgetriebenen Diskussion hin zu medizinischen Versorgungsprozessen zu kommen. Mit Herrn Stachwitz, der ja auch immer noch in der Praxis arbeitet, kommt die Anwendersicht mehr zur Geltung. Frust und Ärger über die Digitalisierung kommen vor allem daher, dass bisher Nutzen und Mehrwert der Digitalisierung für die Praxen zu wenig im Vordergrund standen. Stammdatenverwaltung oder eAU bringen noch keine Vorteile für den Praxisalltag. Außerdem wollen wir mit der Stabsstelle die vielen Projekte zum Thema innerhalb der KBV zusammenführen.
Was haben Sie persönlich in Ihrem ersten Jahr im Amt in Sachen Digitalisierung erreicht?
Steiner: Gleich nach meinem Amtsantritt kamen mit dem Digitalgesetz und dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz zwei große Gesetzgebungsverfahren auf uns zu. Da gibt es für die KBV einige dicke Bretter zu bohren, gerade beim Thema Einführung der elektronischen Patientenakte für alle zum 15. Januar 2025. Hier und bei allen anderen Themen sind wir, wie gesagt, dran, stärker die medizinischen Versorgungsprozesse und den Mehrwert für Praxen und Patienten in den Vordergrund zu rücken. Und auch daran, Politik und BMG zu überzeugen, dass wir in den Praxen eine gut funktionierende Technik benötigen, um Digitalisierung voranzutreiben.
Und wo haben Sie das Gefühl, noch weiter bohren müssen? Was sind aktuell die wichtigsten To-dos für die Vertragsärzte in der Digitalisierung?
Steiner: Ein dickes Brett ist sicherlich, mehr Transparenz und Information im Markt für Praxisverwaltungssysteme (PVS) herzustellen. Zentrales Thema dafür ist die Rahmenvereinbarung, die wir zusammen mit Ärztinnen und Ärzten und mit Psychotherapeutinnen und -therapeuten und auch mit den Herstellern entwickelt haben. Die gesetzliche Vorgabe dazu stammt noch aus der letzten Legislaturperiode. Praxen brauchen gut funktionierende Primärsysteme, sonst sind Anwendungen wie die ePA (elektronische Patientenakte, Anm. d. Red.) nicht darstellbar. Wenn zum Beispiel der Download von Daten aus der ePA ins Praxisverwaltungssystem oder auch der Upload eigener Befunde in die ePA länger als wenige Sekunden, quasi einen Wimpernschlag, dauert, dann steht die Versorgung in den Praxen still.
Nun zertifiziert die KBV die Praxisverwaltungssysteme (PVS) ja ohnehin. Warum braucht es dann zusätzlich dieses gesetzlich vorgegebene Instrument der Rahmenvereinbarung?
Steiner: Tatsächlich zertifizieren wir bislang Teilanwendungen, Funktionalitäten. Wir zertifizieren zum Beispiel den E-Arztbrief oder die eAU. Dabei geht es bisher aber noch nicht um Praktikabilität oder Nutzerorientierung oder sektorenübergreifende TI-Anwendungen.
Stachwitz: Vielleicht aus Anwendersicht erklärt: Tatsächlich zertifizieren die KVen ja schon seit Jahrzehnten die Systeme. Aber am Ende geht es immer vor allem darum, ob die Daten, die das System auswirft, dem entsprechen, was für die Abrechnung nötig ist. Für die Praxis ist aber zunehmend auch wichtig, wie die Prozesse laufen. Mit dem Begriff Interoperabilität, die ja eher im Untergrund stattfindet, können Ärztinnen und Ärzte vielleicht nur wenig anfangen, weil das abstrakt und sehr technisch ist. Aber wenn es konkret wird – wie lang darf es dauern, bis die Daten heruntergeladen sind? – da sind die Praxen dann voll im Bilde. Und genau darum geht es auch in der Rahmenvereinbarung. Wir wollen aber sicher nicht vorgegeben, ob links unten oder rechts oben grüne oder blaue Buttons zum Draufklicken angeordnet sind.
Wie ist denn die Resonanz aus der PVS-Industrie auf die Rahmenvereinbarung? Für die Hersteller ist das ja freiwillig.
Steiner: Wir haben bereits bei der Erarbeitung der Vereinbarung die Hersteller mit eingebunden, das war ein konstruktiver Prozess. Ich bin daher zuversichtlich, dass der eine oder andere Hersteller die Vereinbarung mit uns schließen wird. Es gibt auch einige Anbieter, die viele der geforderten Punkte bereits erfüllen.
Bei der Archiv- und Wechselschnittstelle, die von der KBV gefordert wird, um den Datenaustausch zwischen Systemen, vor allem bei einem Wechsel der Software zu verbessern, gab es ja durchaus Konflikte mit den Anbietern …
Steiner: Der Abschluss einer Rahmenvereinbarung ist am Ende freiwillig. Aber es könnte für die Hersteller schon ein Argument sein, dann auch nach Abschluss der Vereinbarung mit dem guten Namen der KBV zu werben.
Bleiben wir beim Thema PVS-Wechsel. Von der Politik wird gerne kolportiert, wenn ein System nicht die Anforderungen erfüllt, könnten Praxen doch wechseln. Ist das wirklich so einfach?
Stachwitz: Ich habe als angestellter Arzt den Systemwechsel einmal miterlebt. Das war technisch aufwändig, am Ende war es die richtige Entscheidung. Aber es muss schon ziemlich wehtun, bevor eine Praxis tatsächlich ihr PVS wechselt. Der Prozess ist angstbehaftet, man geht weg von etwas, auf das man angewiesen ist. Kommen alle wichtigen Daten mit rüber ins neue System? Wie ist der Support beim neuen Anbieter, wenn einmal etwas nicht funktioniert? Komme ich am Ende vielleicht vom Regen in die Traufe?
Steiner: Genau dafür ist ja dann die Rahmenvereinbarung da, sie soll die nötigen Informationen liefern und Transparenz herstellen. Das ist die Voraussetzung dafür, dass ein echter Markt entsteht, auf dem sich Anwender gut informiert zwischen mehreren Produkten entscheiden können.
Wenn wir in Zukunft eine ePA haben und damit auch eine Datenstruktur, die systemübergreifend ähnlich ist, könnte das vielleicht ein Transmissionsriemen sein, der den Wechsel zwischen den Systemen erleichtert?
Stachwitz: Obacht! Das sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. Die ePA hat eine ganz andere Funktion. Es gibt die ärztliche Dokumentation im Primärsystem, wie die gematik es nennt. Dazu sind Ärzte rechtlich verpflichtet, und die brauchen sie auch, wenn es zum Beispiel darum geht nachzuschauen, welches Medikament bei einem Patienten vor fünf Jahren schon einmal verordnet worden ist. Die ePA hat eine völlig andere Aufgabe. Mit dem Wechsel von PVS A zu PVS B hat das nichts zu tun.
Steiner: Das ist aus unserer Sicht ein ganz wichtiger Aspekt, dies zu trennen: Die umfangreiche ärztliche Dokumentation auf der einen Seite, auf der anderen Seite die versichertengeführte elektronische Patientenakte, in die die Praxis Befunde einstellt oder in der die Medikationsliste dokumentiert wird, auf die die behandelnden Ärzte und Psychotherapeuten Zugriff haben.
Kommen wir noch einmal zurück zur Rahmenvereinbarung. Wie kontrollieren Sie eigentlich, ob ein Hersteller die vielleicht getroffene Vereinbarung am Ende auch einhält , ob er die Anforderungen auch tatsächlich noch erfüllt ?
Steiner: Wenn wir Hinweise von Ärzten bekommen, dass der Vertrag nicht eingehalten wird, gehen wir dem natürlich nach.
Gibt es eine Art Transparenzregister für solche Fälle?
Steiner: Es geht im ersten Schritt darum, dass wir die Vereinbarungen überhaupt schließen und dann bekanntmachen, welche Hersteller mit dabei sind. Vom Worst Case, dass ein Anbieter dann vertragsbrüchig wird, wollen wir nicht gleich ausgehen. Aber wie gesagt, natürlich würden wir Hinweisen nachgehen.
Stachwitz: In Gesprächen mit den Herstellern hatte ich auch eher den Eindruck, dass die Rahmenvereinbarungen als Angebot zur Kooperation gesehen wird, auch wenn jetzt noch keiner unterschrieben hat.
Ein anderes Betätigungsfeld der KBV sind bekanntlich die MIO, die Medizinischen Informationsobjekte: Frau Steiner, bei der Gesundheits-IT-Messe DMEA in Berlin haben Sie Ihr Bedauern darüber ausgedrückt, dass die von der KBV entwickelten MIO noch nicht in das aktuelle Konzept für die ePA für alle eingeflossen sind. Wie weit sind Sie denn eigentlich schon?
Steiner: Für den E-Medikationsplan wurde die Spezifikation jetzt nochmals erweitert, er soll Mitte 2025 als erstes MIO in die ePA integriert werden. Bei den MIO für die Labordaten sind wir schon sehr weit, wir haben auch den Krankenhaus-Entlassbrief entwickelt.
Stachwitz: Auch bei der elektronischen Patientenkurzakte sind wir schon sehr weit.
Und der elektronische Impfpass?
Steiner: Den haben wir fertig entwickelt. Der wäre aus unserer Sicht auch bereit, um ihn in die ePA zu integrieren. Jedes Jahr sucht Deutschland aufs Neue den Impfpass. Das Nachtragen der Daten wurde zwar immer wieder als ein Problem diskutiert, aber allein die Erfassung ab einem bestimmten Zeitpunkt wäre doch schon eine sehr wertvolle Information. Gerade nach der Pandemie hätten wir uns gut vorstellen können, dass dieses MIO in die ePA aufgenommen wird. Aber das ist noch nicht im Fokus des Gesundheitsministeriums.
Für Labor und Patientenkurzakte greift die gematik dann auch auf die Vorarbeiten der KBV zurück?
Stachwitz: Absolut. Die Zusammenarbeit zwischen der KBV-Tochter MIO 42 und der gematik ist da sehr eng.
Steiner: Für uns ist aber auch der Krankenhaus-Entlassbrief wirklich wichtig, um die Kommunikation zwischen den Sektoren zu verbessern. Natürlich in strukturierter Form, damit die Daten dann auch gut in die Patientenkommunikation übernommen werden können.
Ist der Brief dann in der Akte oder kommt er über einen anderen Weg in die Praxis?
Stachwitz: Ein Krankenhaus schickt den Brief in der Regel ja an die Hausarztpraxis. Wenn der Patient dann zu mir in die Facharztpraxis kommt und sagt, ich war im Krankenhaus, hat er den Brief häufig nicht dabei. Ist dieser aber nun zukünftig vom Krankenhaus in der ePA abgespeichert, habe ich auch darauf Zugriff, sobald der Patient am Empfang die eGK ins Lesegerät steckt. Und dann könnte ich als Arzt direkt mit dem Patienten über den Brief sprechen. So soll es jedenfalls sein, wenn die ePA für alle da ist.
Gibt es schon einen festen Zeitplan für den Entlassbrief in der ePA?
Steiner: Krankenhäuser müssen zukünftig Entlassbriefe in die ePA übermitteln. Dies ist so in der Roadmap vorgesehen. Allerdings noch nicht in dieser strukturierten Form, wie wir es gerne hätten.
Also bleibt es erst einmal beim PDF?
Stachwitz: Auf der Roadmap des BMG stehen nach dem Medikationsplan zuerst die elektronische Patientenkurzakte und/oder Laborbefund.
Werfen wir einen Blick auf die Datenautobahn, über die das E-Rezept, die eAU und die ePA bereitgestellt werden, also die Telematikinfrastruktur. Die war im vergangenen Monat alles andere als stabil. Immer wieder gab es Ausfälle. Für die Praxen bedeutet das nicht unerheblichen Mehraufwand. Von Berufsverbänden kam zuletzt die Forderung, die TI-Pauschale müsse erhöht werden, um den Aufwand abzudecken. Was sagt die KBV dazu?
Steiner: Die Frage ist ja immer: Wenn das BMG die Pauschale erhöhen würde, erhöhen dann die Hersteller die Preise? Entscheidend ist, dass die TI endlich stabil läuft. Aber wir klagen bekanntlich ohnehin gegen die Ersatzvornahme des BMG zur TI-Pauschale, weil wir die TI-Pauschale nicht für adäquat halten.
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Wo liegen Ihre Hauptkritikpunkte?
Steiner: Wir halten es nicht für gerechtfertigt, dass die Pauschale überproportional gekürzt wird, wenn nur eines der geforderten TI-Module wie KIM oder eAU nicht von einer Praxis vorgehalten wird. Und wenn die TI um weitere Anwendungen ergänzt wird, dann werden die Hersteller sicherlich auch diese Kosten auf die Praxen umlegen – nur, die TI-Pauschale wird dann eben nicht automatisch erhöht. Und Sie haben die Ausfälle der TI ja erwähnt: Auch hier steigen die Kosten für die Praxen immens, wenn der Praxisbetrieb wegen einer nicht funktionierenden TI stillsteht. Das bilden wir aktuell noch überhaupt nicht ab.
Es geht darum, den Aufwand für die Digitalisierung zu finanzieren, statt die Praxen zu sanktionieren.
Dr. Sibylle Steiner
Was ist Ihre Forderung?
Steiner: Wir fordern ein Praxiszukunftsgesetz, so wie das Zukunftsgesetz zur Digitalisierung der Krankenhäuser. Es geht darum, den Aufwand für die Digitalisierung zu finanzieren, statt die Praxen zu sanktionieren. Genau gegen diese Sanktionen wehren wir uns.
Wie sehen Sie die Klagen von PVS-Herstellern, sie würden pauschal für Störungen verantwortlich gemacht, obwohl diese manchmal vom VPNZugangsdienst oder von anderen Akteuren in der TI verantwortet werden müssten?
Stachwitz: Aus Anwendersicht muss es mir egal sein können, an wem es liegt, wenn es mal wieder nicht funktioniert. Die Ärzte tragen ihr Geld vor allem zu den PVS-Herstellern und das ist nicht wenig im Quartal, auch wenn die Preise sehr unterschiedlich hoch sind. Da brauche ich dann auch einen Ansprechpartner, an den ich mich wenden kann. Das kann man durchaus erwarten und da ist eben der PVS-Hersteller der erste Ansprechpartner. Jeder Ausfall kostet, wie gesagt, real Geld, Patienten müssen wieder in die Praxis kommen, um die Karte einzulesen, MFA müssen Überstunden machen, da ist es doch verständlich, wenn die Anwender sauer sind.
Zeigt da am Ende dann immer einer mit dem Finger auf den anderen: „An dem liegt der Fehler, nicht an mir“?
Steiner: Darum geht es letztlich gar nicht. Wir setzen uns vor allem dafür ein, das reale Geschehen in den Praxen nicht aus dem Blick zu verlieren. Dass nicht Dinge eingeführt werden, die noch nicht ausgereift, noch nicht ausreichend getestet sind. Das hat man jetzt wieder beim E-Rezept gesehen. Auch wenn es an vielen Stellen gut läuft, ist es doch immer wieder zu Ausfällen gekommen. Und bei der ePA wird es wieder so sein. Eine echte Testphase ist nicht vorgesehen.
Haben Sie denn die Hoffnung, dass mit der TI 2.0, die jetzt vorbereitet wird, mehr Stabilität ins System kommt?
Steiner: Bis zur TI 2.0 können wir nicht warten. Mehr Stabilität – das muss jetzt passieren! Außerdem muss die gematik die Anwenderperspektive noch stärker in den Blick nehmen. Das ist zwar schon besser geworden. Ich sage es nochmal: Man kann den Praxen nicht neue, digitale Prozesse überstülpen, sondern muss sich die medizinischen Versorgungsprozesse anschauen und dann die digitalen Prozesse daran anpassen. Nur so wird ein Schuh daraus. Stattdessen haben wir bisher den Auftrag bekommen, nun digitalisiert mal Muster 16, das ist nicht der richtige Weg!
Was erhoffen Sie sich vom Digitalagenturgesetz, das jetzt in der Planung ist?
Stachwitz: Sie fragen nach einem Gesetz, das noch keiner gesehen hat. Angeblich soll der Entwurf noch vor der Sommerpause kommen. Entscheidend wird sein, dass die geplante Digitalagentur dann so funktioniert, dass sie die Ende-zu-Ende-Verantwortung für den gesamten Prozess trägt. Und dafür muss sie den Prozess auch wirklich verstehen. Ich weiß aber nicht, ob sich so etwas per Gesetz wirklich verordnen lässt.
Steiner: Wir werden ganz sicher einfordern, dass mehr Standards für PVS-Anbieter gesetzt werden, damit die Nutzerorientierung in den Prozessen stärker berücksichtigt wird.
Welche Erwartungen haben Sie zu den Einflussmöglichkeiten der Selbstverwaltung in Richtung dieser Agentur?
Steiner: Wir werden uns auf jeden Fall weiter einbringen, so wie wir das auch jetzt tun. Aber letztlich sind wir dann nur noch in der Rolle des Stellungnehmers. Faktisch ist das jetzt schon so, das BMG hält ja seit fünf Jahren die Mehrheit in der gematik.
Stachwitz: Einfluss hängt aber nicht nur von den Mehrheitsverhältnissen ab. Die Frage ist am Ende, was bringt man an Sachverstand ein, und da sind wir zuversichtlich, dass wir das im Sinne der Vertragsärzte und -psychotherapeuten weiter tun können.
Digitalisierung soll bekanntlich auch Spaß machen. Sie haben vor einigen Jahren mit der KBV Zukunftspraxis interessante Anwendungen für die Praxis bekannt gemacht. Was hat sich da eigentlich in der Praxis durchgesetzt?
Steiner: Ein paar Ideen werden schon aufgegriffen. Uns ist es wichtig, Modelle auszuprobieren, um zu sehen, was tatsächlich hilft, die Prozesse zu verbessern und sie in der Regelversorgung zu etablieren.
Stachwitz: Wir wollen Praxen ermuntern, innovative Anwendungen zu erproben. Wir haben bekanntlich einen zunehmenden Fachkräftemangel auch bei den MFA. Da gibt es durchaus Aufgaben, die Software übernehmen kann, ein Self-Check-in etwa kann schon sinnvoll sein.
Was läuft denn bereits in der Praxis, in der Sie arbeiten?
Wir hatten etwa im Winter einen akuten MFA-Engpass, den wir teilweise mit ärztlicher Arbeitskraft ausgeglichen haben. Da haben wir natürlich zusammen überlegt, was sich machen lässt. Dann kam der Wechsel des PVS und tatsächlich sind manche Prozesse nun so einfach und schnell in der Software, dass sie vom Arzt oder von der Ärztin mitgemacht werden können, weil sie praktisch mit einem Klick gehen.
Ein Beispiel?
Stachwitz: Es ist jetzt viel leichter mit der neuen Software, einen Arztbrief fertigzustellen. Ich kann das als Arzt ganz schnell über ein paar Module erledigen, das läuft sozusagen fast automatisch. Vorher haben wir damit eine MFA beschäftigt und blockiert. Wir haben also definitiv Zeit für MFA-Patientenkontakte gewonnen.
Lässt sich da mit Künstlicher Intelligenz künftig noch mehr erreichen? Das war ja bei der DMEA ein großes Thema.
Stachwitz: Da gibt es definitiv Chancen! Aber den sehr großen Optimismus des Bundesgesundheitsministers bezüglich einer sehr schnellen Integration in die Versorgung teile ich noch nicht. Viele Anwendungen sind noch nicht direkt lauffähig. Bevor das in den Praxen wirklich funktioniert, ist noch viel Arbeit zu tun.
Frau Dr. Steiner, Herr Dr. Stachwitz, vielen Dank für das Gespräch
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