Praxismanagement
Es müssen nicht immer zu schwache Schlüssel oder fehlerhafte Technik sein: Auch organisatorische Mängel wirken sich in einer Sicherheitsinfrastruktur manchmal fatal aus. Zum Beispiel in…
2 Minuten Lesezeit
Die Inanspruchnahme der Professionellen Zahnreinigung sowie die weite Verbreitung von Zahnzusatzversicherungen kann den Zahnarztpraxen in Deutschland helfen, die hohen, durch die starke Inflation bedingten Reallohnverluste zu dämpfen. Das zeigt sich zumindest für das Jahr 2022, heißt es in der jüngsten GOZ-Analyse der Bundeszahnärztekammer. Derweil scheint die GOÄ-Novellierung im Schneckentempo voranzuschreiten – wenn überhaupt. Und bei Lauterbach beißen die Zahnärzte in puncto GKV-Finanzstabilisierungsgesetz und kontraproduktiver Honorardeckelung der PAR-Strecke weiter auf Granit.
Trotz der im Jahr 2022 im Zuge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine gestiegenen, hohen Inflationsraten – das Statistische Bundesamt weist für Deutschland für das Gesamtjahr einen Jahresdurchschnitt von +6,9 Prozent aus – haben die niedergelassenen Vertragszahnärztinnen und -zahnärzte die ihnen via Steigerungsfaktoren offenstehenden Möglichkeiten bei der Privatliquidation nach der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) und der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) nicht als Hebel benutzt, um gestiegene Kosten an die Patientinnen und Patienten weiterzugeben.
Das geht aus der jüngsten GOZ-Analyse der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) hervor. Neben den wesentlichen Rechnungsdaten – Gebührenpositionen, Analogkennzeichnung, Häufigkeit, Multiplikator, Gebiet, Material- und Laborkosten – werden in der GOZ-Analyse nach BZÄK-Angaben auch der Versichertenstatus der Patienten sowie die GKV-Zuschüsse zu Zahnersatz und Füllungen erfasst.
Im Schnitt setzten Vertragszahnärzte bei privat zu liquidierenden, persönlichen Leistungen 2022 einen Multiplikator von 2,39 und bei medizinisch-technischen Leistungen von 1,97 an. 72,3 Prozent aller Privatleistungen liquidierten sie zum 2,3-fachen Steigerungssatz, bei zehn Prozent lagen sie darunter, in 10,9 Prozent der Fälle zwischen dem 2,3- und 3,5-fachen, in 6,6 Prozent genau beim 3,5-fachen Steigerungsfaktor und in 0,01 Prozent darüber.
„Insgesamt wurde das persönliche Honorar (GOZ und GOÄ) 2022 mit einem geschätzten Multiplikator von 2,55 (ohne Zuschläge) und das medizinisch-technische Honorar mit einem Multiplikator von 1,88 gesteigert. Im Vorjahr lagen die Werte bei 2,52 bzw. 1,89 – eine Weitergabe höherer Kosten an die Patientinnen und Patienten fand damit 2022 nicht statt“, heißt es seitens der BZÄK.
Einen wesentlichen Honorarschub erfahren Zahnarztpraxen seit Jahren in Form einer kontinuierlich gestiegenen Nachfrage nach der Professionellen Zahnreinigung (PZR/Position 1040), die via GOZ-Novelle in die Gebührenordnung aufgenommen worden war. Auch die Häufigkeitsverteilung der Steigerungsfaktoren ist laut Analyse stark beeinflusst von der PZR, die je Zahn berechnet wird und mittlerweile mehr als 45 Prozent aller Leistungen ausmache.
Bei einem tieferen Blick in die Daten der aktuellen GOZ-Analyse zeigt sich, dass die private Leistungserbringung auch im dritten Corona-Jahr weiter einen bedeutenden Teil des Umsatzes in Zahnarztpraxen darstellt. Auffallend ist, dass der auf die in der PKV vollversicherten Patienten von einem Anteil in Höhe von 40,4 Prozent im letzten Vor-Corona-Jahr 2019 auf 33,5 Prozent im Jahr 2022 gesunken ist. Hier sei laut BZÄK auch aufgrund der abnehmenden Anzahl vollversicherter Patienten insgesamt seit Jahren eine rückläufige Tendenz bei wichtigen Leistungen festzustellen – der PKV-Verband verweist nach einem Minus von 0,16 Prozent auf ein Wachstum in 2023 um 0,03 Prozent auf 8,71 Millionen Vollversicherte, weist allerdings den Anteil der Policen, die auch die zahnmedizinische Versorgung abdecken, nicht separat aus. Weiterer wesentlicher Treiber der Gesamtentwicklung dürfte die weite Verbreitung von Zahnzusatzversicherungen mit etwa 18,3 Millionen Policen in 2022 sein, der offenbar vor allem die PZR-Nachfrage nachhaltig beflügelt, wie es in der GOZ-Analyse heißt.
Ohne Berücksichtigung der analogen Leistungserbringung sowie pauschaler Rechnungen erwirtschafteten die Zahnarztpraxen 2022 laut BZÄK rund 11,2 Milliarden Euro über die Privatliquidation gemäß GOZ und GOÄ. „Die Gesamteinnahmen lagen damit – unter Berücksichtigung der damaligen Hygienepauschale in Höhe von 157 Millionen Euro – ungefähr auf dem Niveau des Vorjahrs. Im Durchschnitt der Jahre 2014-2022 stieg die private Liquidation um durchschnittlich 3,6 Prozent p.a. Diese Entwicklung ist dabei nahezu vollständig auf die privat liquidierten Leistungen an GKV-Versicherten zurückzuführen“, heißt es in der GOZ-Analyse.
Hier sei der Umsatz seit 2014 merklich von 5,0 Milliarden Euro auf knapp 7,5 Milliarden Euro (+48,5 Prozent/ +5,1 Prozent p.a.) gestiegen. In der Gruppe der PKV-Vollversicherten seien demgegenüber nur geringe Veränderungen am Umsatz festzustellen gewesen, habe er für 2022 bei etwa 3,7 Milliarden Euro und damit auf ähnlichem Niveau wie 2014 mit damals 3,4 Milliarden Euro gelegen – jeweils ohne Hygienepauschale.
2022 erbrachten die niedergelassenen Zahnärzte ohne Berücksichtigung analoger Abrechnungen geschätzt rund 381 Millionen Einzelleistungen bei den PKV-Vollversicherten inklusive der Beihilfeberechtigten. Betrachte man die einzelnen GOZ-Leistungsabschnitte im Zeitverlauf und im Vergleich zueinander zeige sich, so die BZÄK, „dass der Anteil des Kapitels B (Prophylaktische Leistungen) zunimmt, während die übrigen Leistungskapitel mit Ausnahme der Parodontologie (für KFO uund Implantologie) an Gewicht verlieren, wenn auch in unterschiedlichem Maße.“
Bei detaillierter Betrachtung des Leistungsgeschehens bei PKV-Vollversicherten zeigt sich, dass auch 2022 der mit Abstand größte Anteil des gesamten Honorarvolumens mit etwa 89 Prozent auf die GOZ entfiel, die GOÄ für elf Prozent sorgte, davon 3,2 Prozent Honorar für medizinisch-technische Leistungen. Die konservierenden Leistungen, wie die Kronenversorgung, stellte auch 2022 laut GOZ-Analyse mit knapp 1,2 Milliarden Euro (35,4 Prozent) weiterhin den mit Abstand umsatzstärkste Bereich dar vor den prophylaktischen Leistungen (21,0 Prozent), deren Bedeutung durch die Aufnahme der PZR in das Gebührenverzeichnis nun klarer zu erkennen sei. Es folgten die Parodontologie (9,9 Prozent), allgemeine zahnärztliche Leistungen (8,1 Prozent) und prothetische Leistungen (7,9Prozent).
Seit rund fünf Jahren ist von verschiedenen Playern im Gesundheitswesen immer wieder zu hören, die GOÄ-Novellierung stehe kurz vor der Realisierung. Unter Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wurde es bekanntermaßen nichts mehr mit dem Projekt. Nun beißen sich die relevanten Protagonisten offensichtlich an seinem Nachfolger Karl Lauterbach (SPD) die Zähne aus. Wie jüngst aus PKV-Kreisen verlautete, führe man mit der Bundesärztekammer (BÄK) konstruktive Gespräche, um dem Genossen im BMG-Cockpit eine fundierte Vorlage mit konsentierten Leistungspositionen inklusive Vergütung zu präsentieren.
Doch dieser misst der Privatliquidation offensichtlich keine Dringlichkeit bei. Mit Blick auf seine jüngsten Äußerungen, er müsse sich erst einmal um die Probleme der 90 Prozent in der GKV Versicherten kümmern, bevor er sich mit der GOÄ befassen könne, hat BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt – allerdings in seiner Funktion als Vorsitzender des Hartmannbundes – den Minister vor einer „Zwei-Klassen-Politik“ gewarnt.
„Bei einem Thema, das über einen derartigen Zeitraum auf die lange Bank geschoben worden ist, wie die GOÄ, dürfen wir nun wirklich erwarten, dass Herr Lauterbach das eine tut, ohne das andere zu lassen“, sagte Reinhardt. Man verlasse sich weiterhin auf dessen Anfang Januar gemachte Zusage, mit den Regierungsfraktionen vorbehaltlos darüber zu reden, ob eine Reform der GOÄ wirklich den Formulierungen des Koalitionsvertrages widerspreche. „Wenn der Minister dafür keine Zeit findet, dann gehen wir mit den Fraktionen gerne auch selbst ins Gespräch“, versprach Reinhardt.
Nicht nur honorartechnisch für die behandelnden Zahnärzte, sondern auch im Sinne einer besseren Mundgesundheit von Millionen Menschen in Deutschland drängt die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) Lauterbach, die aus ihrer Sicht noch offene Großbaustelle des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes (GKV-FinStG) anzugehen. In einem vor Kurzem veröffentlichten, offenen Brief an den Minister weist sie auf die verheerenden Folgen der via GKV-FinStG verordneten Honorardeckelung für die präventionsorientierte Parodontitistherapie auf Kasse (PAR-Behandlung). Die Leistungen der erst im Juli 2021 eingeführten neuen PAR-Behandlung könnten de facto im kassenzahnärztlichen Versorgungsalltag durch die aktuellen Rahmenbedingungen nicht mehr erbracht werden, sorge die Honorardeckelung insbesondere dafür, dass die notwendigen Mittel zur Finanzierung dieser über mehrere Jahre zu erbringenden Behandlung nicht mehr ausreichend zur Verfügung stünden.
„Auch aktuelle Abrechnungsdaten zeigen, dass sich der Einbruch bei den Neubehandlungsfällen nicht nur fortsetzt, sondern der Negativtrend sich sogar weiter verstärkt. Während vor Einführung der strikten Budgetierung in 2022 noch durchschnittlich etwa 120.000 Parodontitisneubehandlungen pro Monat durchgeführt wurden, waren es im Dezember 2023 nur noch ca. 77.500. Wir gehen davon aus, dass unter den aktuellen Rahmenbedingungen auch in den kommenden Wochen und Monaten die monatlichen Neubehandlungsfälle weiter absinken werden“, schreibt der KZBV-Vorstand in seinem offenen Brief.
Wenn keine korrigierenden Maßnahmen ergriffen würden, sei davon auszugehen, dass das Niveau der Neubehandlungen so weit absinken werde, dass es nur noch halb so hoch sei wie vor Einführung der Budgetierung. „Damit droht das Versorgungsziel, die Parodontitis – neben Karies die zweite große Volkskrankheit in der zahnmedizinischen Versorgung – wirkungsvoll bekämpfen zu können, vollständig zu scheitern. In Anbetracht der hohen Krankheitslast ist dies für die Mund- und Allgemeingesundheit der Patientinnen und Patienten fatal. Es reicht nicht allein, sich die Stärkung der Prävention im Koalitionsvertrag als Ziel zu setzen. Entscheidend ist, dass diese Zielsetzung auch Eingang in das politische Handeln und in die Versorgungsrealität findet“, echauffiert sich die KZBV und fordert Lauterbach explizit zum Dialog auf.
Einen nicht nur honorartechnisch wichtigen Beschluss hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) Mitte Januar bezüglich der Änderung seiner Richtlinie über die Früherkennungsuntersuchung auf Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten verabschiedet. Beanstandet ihn das BMG nicht, so könnte er bald in Kraft treten und ab voraussichtlich Juli 2024 die Aufhebung der Bindung der Fluoridlackanwendung an die Ergebnisse der Einschätzung des Kariesrisikos ab dem 34. Lebensmonat bewirken. Somit wäre der Weg frei für das auf Kasse zu erbringende Auftragen von Fluoridlack zur Zahnschmelzhärtung für alle Kinder bis zum 6. Geburtstag.
Der Anspruch bestehe dann unabhängig davon, ob das Kariesrisiko als hoch eingeschätzt wird oder nicht. Bisher gab es für den Schutz des Milchgebisses je nach Altersgruppe unterschiedliche Regelungen: Bis zum 33. Lebensmonat spielte das Kariesrisiko keine Rolle. Zwischen dem 34. Lebensmonat und dem vollendeten 6. Lebensjahr war hingegen noch ein hohes Kariesrisiko die Voraussetzung dafür, dass die Milchzähne zweimal pro Kalenderhalbjahr mit Fluoridlack geschützt werden konnten.
Melden Sie sich jetzt an und erhalten Sie exklusiven Zugang zu: