Schmerzkontrolle
Entdecken Sie evidenzbasierte Strategien für ein besseres Schmerzmanagement, einfachere Verfahren und zufriedenere Patienten.
6 Minuten Lesezeit
Außenstehende gehen wahrscheinlich davon aus, dass der Beruf des Zahnarztes nicht wirklich körperlich anstrengend ist. Die Patienten sehen, dass Sie im Stehen, ohne sich viel zu bewegen, mit kleinen, leichten Instrumenten hantieren und denken bei sich: Naja, das ist nicht so anstrengend wie ein Marathonlauf.
Sie haben jedoch vom vielen Stehen, Drehen und Bücken Rückenschmerzen. Ihre Nackenmuskeln sind verspannt und Ihre Augen ermüdet, da Sie versuchen, einen guten Blick auf die Mundhöhle zu bekommen. Ihre Schulter sind angespannt, weil Sie den ganzen Tag Ihre Bewegungen vorsichtig ausführen müssen. Ihre Hände krampfen sich oft zusammen, da sie sehr lange die Instrumente halten und steuern müssen, um bei beschränktem Platzangebot mit dünnem, empfindlichem Gewebe zu arbeiten.
Und dann ist da ja auch noch die emotionale Belastung. Allein die für die Behandlungsschritte erforderliche Konzentration verlangt Ihnen schon sehr viel ab. Das ist aber noch nicht alles: Sie müssen auch noch Ihre Praxis führen, die rechtlichen und gesetzlichen Vorschriften beachten und viele weitere Herausforderungen im Umgang mit den Patienten meistern – und all das inmitten der wirtschaftlichen Unsicherheit einer Pandemie…
Gut, Sie laufen vielleicht keinen Marathon, aber an manchen Tagen wird es sich so anfühlen, als hätten Sie gerade einen absolviert!
Klinische Schmerzen – Fakten und Zahlen
Es ist nicht überraschend, dass etwa 70% der Zahnärzte unter Rückenschmerzen leiden. Laut eines Artikels aus dem British Dental Journal belaufen sich ein Drittel aller von der Versicherungsgesellschaft Dentists’ Provident erstatteten Arztrechnungen auf muskuloskelettale Beschwerden. Schmerzen können einen Zahnarzt sogar seine Karriere kosten. Laut der Forschung müssen fast ein Drittel der Zahnärzte aufgrund einer muskuloskelettalen Erkrankung in Frührente gehen.
Zahnärzte schneiden auch in Punkto Stress nicht besonders gut ab. Bei einer im Jahr 2004 durch das British Dental Journal durchgeführten Umfrage gaben 60% der Allgemeinzahnärzte an, angespannt zu sein oder unter Depressionen zu leiden, 58,3% berichteten über Kopfschmerzen, 60% hatten Schlafstörungen und 48,2% eine unerklärbare Müdigkeit. Oft wurde Alkoholkonsum angegeben und über ein Drittel der Befragten war adipös oder übergewichtig.
Seitdem hat sich die Situation nicht verbessert. Fast die Hälfte der in einer 2019 vom British Dental Journal befragten Zahnärzte gab an, dass Stress sie in der Ausübung ihrer Tätigkeit beeinträchtigte und einige berichteten sogar, dass Stress bei ihnen zu schwerwiegenden mentalen Problemen geführt hatte.
Während der Corona-Pandemie sahen und sehen sich die Zahnärzte einer nie dagewesenen Belastung ausgesetzt, weshalb es umso wichtiger ist, dass sie sich um ihre körperliche und emotionale Gesundheit kümmern. Im vorliegenden Artikel beschreiben wir eine evidenzbasierte Strategie zur Schmerzkontrolle am Arbeitsplatz.
Vernachlässigen Sie nicht die eigene Fürsorge (Self-Care)
Sagen wir doch gleich, wie es ist! Als Mediziner wissen Sie, wie wichtig Schlaf, Ernährung, Flüssigkeitszufuhr und Sport ist. Bei Schmerzen, Stress oder beidem, werden diese grundlegenden Dinge jedoch leicht vernachlässigt.
Eine unzureichende Selbstfürsorge kann sowohl körperliche, als auch emotionale Schmerzen verschlimmern. Stress und eine schlechte Ernährung kann beispielsweise zu erhöhtem Körpergewicht führen, was die muskuloskelettalen Beschwerden verschärft.
Es mag zu einfach erscheinen, aber überprüfen Sie kurz Ihre Self-Care-Routine und stellen Sie sicher, dass Sie sich genug Zeit für diese Säulen Ihrer Gesundheit nehmen. Wenn das für Sie problematisch ist, dann sollten Sie sich proaktiv um Unterstützung bemühen.
Führen Sie eine intelligente Zeitplanung ein
In einer viel gebuchten Praxis ist es nicht immer einfach, den Zeitplan vorhersagbar einzuhalten, aber einige Grundregeln können dabei helfen, die körperliche und mentale Belastung zu reduzieren. Hier einige Vorschläge:
Machen Sie regelmäßig Pausen und delegieren Sie Aufgaben
In einer jüngeren Umfrage von Septodont gaben nur 50% der befragten Zahnärzte an, täglich eine Mittagspause zu machen. Die anderen 50% berichteten, dass sie sich in ihren Pausen um die Patienten kümmern, die Praxis vorbereiten oder administrative Aufgaben erledigen.
Natürlich kann es auch stressig sein, nichts zu tun, wenn die Arbeit noch erledigt werden muss. Allerdings wird die Einhaltung regelmäßiger Pausen nicht nur Ihr Stressniveau senken, sondern dient auch der Versorgung und Sicherheit Ihrer Patienten.
Vielleicht könnten Sie einige der weniger angenehmen Aufgaben an Ihr Team abgeben, Systeme einführen, die automatisch administrative Arbeiten erledigen und durch Ihre Hygieniker und Ihre Assistenz mehr Unterstützung bei den Eingriffen erhalten.
Achten Sie auf Ihre Haltung
Zahnärzte müssen über längere Zeiträume eine bewegungsarme Haltung einnehmen, was aufgrund der statischen Beanspruchung zu einer Ermüdung der haltungsrelevanten Muskeln führt. Das lange Sitzen, besonders mit vorgebeugtem Oberkörper, führt zu einer Überbeanspruchung der Hüftbeuger, wobei die Gesäßmuskeln und die tiefliegende Bauchmuskulatur untätig bleiben, was durch die unteren Rückenmuskeln ausgeglichen werden muss.
Um eine Ermüdung der haltungsrelevanten Muskeln soweit wie möglich zu reduzieren, sollten Sie versuchen, so oft wie möglich zwischen einer stehenden und einer sitzenden Position abzuwechseln. Halten Sie die Spannung in den Bauchmuskeln durch eine gerade Sitzposition, dehnen Sie regelmäßig die Hüftbeuger und versuchen Sie, wann immer es möglich ist, ein paar Schritte zu gehen, um die Blutversorgung der Muskeln anzuregen.
Widerstands- und Krafttraining kann Ihnen beim Muskelaufbau helfen, allerdings sollten Sie mit einem Coach trainieren, der die einzigartige Haltung der Zahnärzte und deren Folgen kennt.
Sobald Sie sich nach vorne beugen, um das Arbeitsfeld besser sehen zu können, belasten Sie Ihren Nacken, die Schultern und den Rücken. Laut eines Artikels in Spine Universe, belegen Forschungsergebnisse, dass Zahnärzte, deren Nacken in über 75% der Arbeitszeit um mehr als 15 Grad gebeugt ist, einem hohen Risiko ausgesetzt sind. Außerdem wurde festgestellt, dass Zahnärzte ihren Nacken in 82% der Arbeitszeit um mehr als 30 Grad gebeugt halten.
Um ein Verdrehen, Umdrehen und Verbiegen zu vermeiden, sollten Ihre Instrumente immer griffbereit liegen. Falls nicht bereits geschehen, führen Sie die „Vierhandzahnheilkunde“ in Ihrer Praxis ein, um die Belastung für Nacken, Rücken und Schultern zu minimieren.
Die richtige Position des Patienten
Auch die Position des Patienten beeinflusst Ihre Haltung. Die American Dental Association (ADA) empfiehlt, den Kopf des Patienten so positionieren, dass Sie eine gute Sicht auf den Arbeitsbereich haben, aber trotzdem Ihre Schultern und Ihren Nacken locker lassen können und Ihre Ellenbogen mit 90 Grad oder weniger anwinkeln können. Oft liegt der Patient in der für ihn am angenehmsten Position im Stuhl, was für den Zahnarzt nachteilig sein kann.
Dr. Bethany Valachi, ein Autor des Dental Products Report, erläutert, dass sich Zahnärzte verbiegen, verdrehen oder krümmen, um einen guten Zugang und eine gute Sicht zu erlangen, besonders bei Behandlungen des Oberkiefers. Sobald sich die Okklusalebene des Oberkiefers vor der Vertikalen befindet, muss sich der Zahnarzt nach vorne lehnen. Um eine optimale Haltung einnehmen zu können, empfiehlt Dr. Valachi, die Okklusalebene des Oberkiefers 20-25 Grad hinter der Vertikalen zu positionieren, am besten noch unter Verwendung einer Doppelgelenk-Kopfstütze.
Verwenden Sie einen Sattelstuhl
Standard-Bürostühle werden nicht so gebaut, dass sie die körperlichen Anforderungen und Bedürfnisse von Zahnärzten befriedigen können. Es könnte sich lohnen, stattdessen in einen Sattelstuhl zu investieren.
Sattelstühle sind nach vorne geneigt, wodurch sich Wirbelsäule und Hüfte einen größeren Winkel zueinander bilden, was der natürlichen Krümmung der Wirbelsäule zugutekommt und die Lendenwirbel entlastet. Durch die Aussparung wird Druck vom Steißbein genommen.
Konsultieren Sie einen Fachmann
Es gibt eine Reihe von Experten, die Ihnen dabei helfen können, die arbeitsbedingten Schmerzen zu reduzieren. Ein Physiotherapeut kann Ihre Haltung korrigieren, Ihre Bewegungen abstimmen und Ihnen beim Aufbau und der Stabilisierung der relevanten Muskelgruppen helfen. Mit einem Ergotherapeuten können Sie Ihr Arbeitsumfeld neu aufstellen, damit es Ihnen maximale Funktion, Effizienz, Sicherheit und Wohlbefinden bietet. Am besten wenden Sie sich an Fachleute, die bereits Zahnärzte betreut haben und daher die einzigartigen Anforderungen des Berufs kennen.
Überprüfen Sie, wie Sie Instrumente greifen
Im Studium wird wiederholt gelehrt, wie die Instrumente ergriffen werden sollen, allerdings werden die gelehrten Grundsätze in der Praxis nicht immer diszipliniert angewendet! Wenn Sie unter Schmerzen in den Händen oder Handgelenken leiden, sollten Sie sich die Grundlagen erneut vergegenwärtigen und das Ergreifen neu trainieren.
In einem in Dentistry IQ erschienenen Artikel warnt Julie Whiteley RDH, dass ein überaus fester Griff, unangemessener Druck oder eine übermäßige Beugung der Finger und Handgelenke, Schmerzen in den Händen und Gelenken verursachen kann. Vorliegend beleuchten wir nochmal die Grundlagen für ein korrektes Ergreifen der Instrumente.
Stabilisierung
Bei der Ausübung präziser Tätigkeiten über einen längeren Zeitraum hinweg kann eine Überbelastung durch Stabilisierungstechniken wie Fingerauflagen und eine korrekte Lagerung der Finger vermieden werden. Versuchen Sie, das Handgelenk in einer neutralen Position zu halten und zwar in einer Linie mit Ihrem Unterarm. Positionieren Sie den Stuhl so, dass Sie sich auf dem Unterarm stabilisieren und abstützen können.
Die richtige Wahl der Instrumente
Schwere, vibrierende Instrumente oder Instrumente, die Sie drehen müssen oder repetitive Bewegungen erfordern, können die Schmerzen in den Händen und Handgelenken noch verschlimmern. Instrumente mit dünnen Handgriffen sind schwierig zu greifen und zu kontrollieren.
Zur Verringerung der instrumentenbedingten Schmerzen, empfiehlt die ADA den Einsatz von leichten Instrumenten, die:
Ein Beispiel ist Septodont Dentapen, ein computergesteuertes Injektionssystem zur Verabreichung von Lokalanästhetika. Bei einem Gewicht von nur 40 g haben Sie die Wahl zwischen zwei ergonomisch gestalteten Griffaufsätzen für die Spritzen- oder Stifthaltung zur einfacheren Handhabung. Aufgrund der 3 Injektionsgeschwindigkeiten und der 2 Abgabemodi reicht minimaler Druck durch den Zahnarzt. Sollten Sie die manuelle Injektion bevorzugen, bieten Ihnen die Kanülen aus der Reihe Septoject innovative dreifach angeschrägte Nadelspitzen (Dreifach-Lanzenschliff) für mehr Komfort und bessere Kontrolle bei geringerer Einstichkraft.
Erhalten Sie den optimalen Zustand Ihrer Instrumente
Bei stumpfen Instrumenten müssen Sie zusätzliche Kraft aufbringen, was den Eingriff verzögern kann. Das kann für beide, Sie und den Patienten, schmerzhaft sein!
Ihre Instrumente sollten immer für eine einfache, komfortable Anwendung in einem optimalen Zustand sein. Anhand der folgenden Indikatoren lässt sich erkennen, dass Sie Ihre Instrumente wieder schärfen müssten (oder an einen entsprechenden Anbieter schicken sollten):
Tragen Sie gutsitzende Handschuhe
Unterschätzen Sie nicht, wie wichtig gutsitzende Handschuhe sind! Enganliegende Handschuhe können bei einer längeren Tragezeit Ihre Nerven einengen, die Muskeln belasten, die Blutversorgung abschneiden und so zu Taubheit und zu Kribbeln oder Schmerzen führen. Dies kann schon mit den medizinischen Standard-Handschuhen auftreten, die für beide Hände konzipiert sind und nur über einen kurzen Zeitraum getragen werden sollten.
Ihre Handschuhe sollten über dem Handrücken und an der Daumenbasis locker sitzen. Sie sollten die Hand ohne Einschränkung zur Faust ballen können. Allerdings dürfen die Handschuhe auch nicht zu locker sitzen, da es sonst schwierig wird, mit den Instrumenten umzugehen.
Gönnen Sie Ihren Händen eine Pause
Versuchen Sie, immer wieder andere Aufgaben auszuführen, um eine Überbelastung durch wiederholte Bewegungen zu vermeiden. Dazu gehört vielleicht auch eine intelligente Terminplanung, wie oben beschrieben, oder die Terminierung von regelmäßigen Pausen, wenn Sie greifintensive Tätigkeiten ausführen.
Ihre Hände profitieren mehr von häufigen kurzen Pausen als von nur einer oder zwei langen Pausen. Um die Blutzufuhr in den Händen und Handgelenken zu gewährleisten, empfehlen wir alle 60 Minuten eine Pause von 10 Minuten einzulegen.
Dehnen Sie Ihre Hände und Handgelenke während der Pause, um Verspannungen zu lösen. Hier ein paar Vorschläge:
Bitte denken Sie bei allen Übungen daran, nur soweit zu dehnen, wie es angenehm ist und nicht, bis es weh tut.
Verwenden Sie angepasste Lupenbrillen
Studien haben gezeigt, dass durch die Verwendung von Lupenbrillen die Behandlungszeit, Behandlungsqualität und Genauigkeit verbessert werden kann, da die Augen weniger schnell ermüden und die Körperhaltung angemessener ist.
Bei korrekt angepassten Lupenbrillen wird das Sehfeld erst dann scharf gestellt, wenn eine bestimmte Haltung und ein bestimmter Abstand eingenommen werden, da erst dann der Neigungsbereich und -winkel stimmt. Dadurch wird ein Strecken, Vorbeugen und Vorkrümmen über den Patienten unterbunden, was das Risiko von Kopfschmerzen und einer Überbelastung der Augen reduziert. Sie können auch Lupenbrillen mit eingebautem Licht für eine noch bessere Sichtbarkeit der Mundhöhle verwenden.
Die Lupenbrillen sollten individualisiert sein und eine potentielle Sehschwäche ausgleichen. Bei der Bestellung sollten Sie dem Anbieter diese Information unbedingt mitteilen, da eine nicht eingestellte Lupenbrille eine hohe Belastung für die Augen darstellt. Wenn Sie länger nicht beim Optiker waren, ist es vielleicht eine gute Idee, vor der Bestellung die Augenwerte messen zu lassen.
Vermeiden Sie trockene Augen
Bei der Fokussierung auf einen kleinen Bereich wie etwa die Mundhöhle, blinzelt der Mensch nicht etwa 15-mal pro Minute, sondern nur 5-mal und die Drüsen produzieren weniger Lipide zur natürlichen Befeuchtung der Augen. Sollte dies oft passieren, können diese Drüsen atrophieren und zu trockenen Augen führen, was schmerzhaft ist und zu einem übermäßigen Tränenfluss, Brennen und erhöhter Sensibilität führt.
Jenefer Goffron-Mercieri RDH rät in einem Artikel in Dentistry IQ, regelmäßig die Augen mit künstlicher Tränenflüssigkeit zu tropfen und Einweg-Tageslinsen zu verwenden, um trockene Augen zu vermeiden. Außerdem empfiehlt sie die Übung „20/20/20“. Diese besteht darin, alle 20 Minuten auf einen Punkt in 20 Fuß Entfernung 20 Sekunden lang zu blicken, damit sich die Augen wieder entspannen und erholen können.
Viele Zahnärzte wenden diese Techniken bei leichten bis moderaten Schmerzen an. Sollten Sie jedoch anhaltende Sehstörungen oder starke Schmerzen bei sich feststellen bzw. dass die Schmerzen auf Dauer nicht nachlassen, dann werden Selbsthilfe-Verfahren allein wahrscheinlich keine Abhilfe schaffen können. In solchen Fällen sollten Sie unbedingt so schnell wie möglich einen Arzt, Augenoptiker oder Physiotherapeuten konsultieren – nicht nur zur Bekämpfung der Schmerzen, sondern auch, um sicherzustellen, dass Sie weiter Ihrer Karriere nachgehen können, an der Sie so hart gearbeitet haben. Sie sollten immer bedenken, dass das Anstreben von Schmerzfreiheit nicht nur für den Patienten gilt!
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